E-Mobilität in Zeiten von Corona

Ist die Krise Beschleuniger oder Bremser?
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Text: Ekkehard Haug, 11.09.2020

Auch wenn der Konjunkturmotor langsam wieder anspringt – die Prognosen für den Corona bedingten Einbruch des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland für 2020 variieren, je nach Institut, zwischen 4,2 Prozent* und 8,8 Prozent**. Das stellt die gesamte Wirtschaft vor enorme Herausforderungen. Konjunkturpakete der Regierung und der europäischen Union sollen die wirtschaftlichen Folgen abfedern. Ein Mix aus verschiedenen Kaufanreizen wird den Konsum schnell wieder auf Trab bringen – so die Hoffnung der Politik. Dabei geht ein großer Teil der Förderung in die für Deutschland wichtige Automobilbranche und dort konkret in die Förderung von Elektro- und Hybridfahrzeugen. Zeigen die Maßnahmen Wirkung?

Einbruch bei Verbrennern, zaghafter Aufschwung bei E-Autos und Hybriden

Niemand kann derzeit absehen, wie lange es noch dauert, bis die Verhältnisse wieder als normal bezeichnet werden können. Stark betroffen sind Schlüsselbranchen wie Tourismus und Automotive. So verzeichneten die Airlines der Lufthansa Group im April 2020 einen Rückgang der Fluggäste um 98,1 Prozent. Lufthansa Chef Carsten Spohr rechnet nicht vor 2024 mit einer Nachfrage auf Vorkrisenniveau.

Nicht ganz so dramatisch ist der Einbruch in der Automobilbranche. Aber das Kraftfahrtbundesamt (KBA) meldet auch hier einen Absatzrückgang über alle PKW-Hersteller um 34,5 Prozent von Januar bis Juni 2020. In Europa rechnet der Branchenverband aca für das Gesamtjahr 2020 mit einem Umsatzrückgang um ein Viertel gegenüber 2019.

Hingegen weist das Segment der Fahrzeuge mit E- oder Hybridantrieb in Deutschland einen Zuwachs auf (bei freilich immer noch überschaubaren Stückzahlen): Von Januar bis Juni 2020 wuchsen die Zulassungen von rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen laut KBA gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 um rund 42,7 Prozent auf 44.300 Fahrzeuge. Bei Hybriden ohne externe Lademöglichkeit lag die Steigerung bei 54,6 Prozent auf 110.000 Einheiten und bei Plug-in-Hybriden sogar bei rund 200 Prozent (49.300 Fahrzeuge).


Förderung wirkt

Die Fördermaßnahmen scheinen also erste positive Effekte zu zeigen. Wie sehen diese im Detail aus? Ganz allgemein profitiert natürlich auch der Automarkt von der temporären Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf 16 Prozent. Darüber hinaus wirken sich verschiedene Maßnahmen innerhalb des Konjunkturpakets der Bundesregierung positiv auf die Entwicklung und den Absatz von Fahrzeugen mit alternativen Antriebskonzepten aus:

  • Die Innovationsprämie fördert den Kauf von Elektro- und Hybridfahrzeugen bis zu einem Nettolistenpreis von 40.000 Euro mit einer Prämie von 6.000 Euro (bzw. 4.500 Euro bei Hybriden). Dies bedeutet eine Verdoppelung der zuvor eingeführten Umweltprämie. Das Paket hat einen Umfang von 2,2 Milliarden Euro.
  • Ein 2 Milliarden Euro schweres Bonusprogramm für Hersteller und Zulieferer der Automobilbranche fördert die Einführung und Anschaffung neuer Technologien, Verfahren und Anlagen, die dem Umstieg auf alternative Antriebsarten dienen.
  • Weitere 2,5 Milliarden Euro stellt die Bundesregierung für den Ausbau der Ladeinfrastruktur und die Forschungsförderung rund um die E-Mobilität bereit.

Im Idealfall erhofft man sich von solchen Fördermaßen einen Doppeleffekt: Eine Stabilisierung der Konjunktur bei gleichzeitiger Beschleunigung der Energiewende, weg von Antrieben mit fossilen Brennstoffen hin zu alternativen Antrieben.

Interview mit Christopher Schäckermann, Director E-Mobility beim DKV

Tatsächlich scheint durch die Corona-Krise einiges in Bewegung gekommen zu sein. Ein Beispiel. Das Unternehmen DKV (ehemals Deutscher Kraftverkehr) ist vielen Autofahrern bekannt durch das Logo, das an zahlreichen Tankstellen signalisiert, dass man hier mit einer Tankkarte des Anbieters bargeldlos bezahlen kann. Das Unternehmen ist mit Mobilitätsleistungen wie Tankkarten und Flottenmanagement traditionell im Bereich der klassischen (Verbrenner)-Mobilität unterwegs. Aber DKV hat sich rechtzeitig auf den Wandel der Branche eingestellt und bietet heute Kunden mit Firmenwagenflotte ein ganzes Leistungspaket rund um die Elektromobilität. Sonnenallee sprach mit dem Director E-Mobility von DKV, Christopher Schäckermann.

Herr Schäckermann, was tut DKV für mehr Elektromobilität bei Firmenflotten?

CS: Vor drei Jahren habe ich beim DKV die Mitverantwortung für die neue  E-Mobility-Strategie übernommen und seither zusammen mit meinen Kollegen das Thema stark vorangetrieben. Unter dem Motto „Lead in Green“ ist die E-Mobilität auch als wichtige Säule in unserer Unternehmensstrategie verankert.

Sonnenallee: Wie ist der Stand aktuell? Welche konkreten Leistungen bieten Sie Ihren Flottenkunden im Bereich E-Mobilität?

Christopher Schäckermann: Es ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die ineinandergreifen. Zum einen bieten wir unseren Flottenkunden eine Karte, die DKV CARD +CHARGE, mit der wir die Vorzüge einer klassischen Tankkarte kombinieren mit der Möglichkeit, Strom zu laden – d.h. es können sowohl reine Elektrofahrzeuge als auch Hybrid-Fahrzeuge und solche mit konventionellem Antrieb mit einem System betrieben werden. Mit dieser Karte kann der Flottenkunde weitere Leistungen in Anspruch nehmen. Mit unserem Charge4Europe Joint-Venture Partner Innogy  bieten wir eines der größten Ladenetze mit derzeit rund 100.000 Ladepunkten in Europa an. Und wir sorgen darüber hinaus dafür, dass nicht nur in den Unternehmen selbst Ladestationen installiert werden, sondern auch zu Hause, beim Nutzer des Firmenfahrzeugs. Mit zentraler Abrechnung über die Karte.

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„Lead in Green“ - Im Interview mit Christopher Schäckermann, Director E-Mobility von DKV

Wie stark sprechen Ihre Kunden bisher auf diese Angebote an?

CS: Das Interesse der Flottenbetreiber ist sehr groß. Und die Nachfrage nach E-Mobilitätslösungen steigt enorm an. Obwohl Corona derzeit vielfach eher als Investitionsbremse wirkt, begreifen mehr und mehr Unternehmen die Krise auch als Chance, die E-Mobilität schneller auf die Straße zu bringen. Jetzt müssen aber auch die OEMs, die Fahrzeughersteller, mitziehen, damit genügende Elektroautos zur Verfügung stehen, um die wachsende Nachfrage bedienen zu können. Der Wandel wird aber nicht radikal sein. Es wird noch eine ganze Zeit lang Mix-Flotten geben – mit reinen Elektrofahrzeugen, Hybriden und eben auch noch Verbrenner-Fahrzeugen.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Konjunkturprogramme, bei denen beispielsweise der Kauf von Elektro- und Hybridfahrzeugen (Innovationsprämie) oder der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur gefördert wird?

CS: Im Moment ist der Markt sehr volatil. Die Förderung macht sich aber schon bemerkbar. Im Firmenwagenbereich insbesondere die im Vergleich zu Verbrennern niedrigeren Steuersätze für Fahrzeuge mit E- oder Hybridantrieb. Für uns als DKV ist natürlich auch die Förderung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur ein wichtiger Faktor, um hier das Netz schneller erweitern zu können. Insgesamt befinden wir uns derzeit in einer sehr dynamischen Anlaufphase. Der Hochlauf wird dann in ein bis zwei Jahren erfolgen. Die Kunden haben also genug Zeit, sich auf die E-Mobilität vorzubereiten. Und für uns als Branchenvorreiter gilt es, jetzt die Dynamik zu nutzen und unser Angebot – auch dank der Förderprogramme – weiter auszubauen.

Wie ist Ihre persönliche Einschätzung: Wird die E-Mobilität sich als DIE Antriebsart der Zukunft durchsetzen? Und wenn ja, wie lange wird das dauern?

CS: Sie wird eine immer wichtigere Rolle im Mix der Antriebskonzepte spielen. Und sie wird sich schnell durchsetzen. Ich schätze bis in fünf Jahren. Allerdings sehe ich mittelfristig auch den Wasserstoffantrieb stark im Kommen. Beispielsweise im Schwertransport-Bereich. China als wichtigster Automobilmarkt forciert das Thema derzeit stark. Es bleibt also spannend!

Autohersteller unter Druck

Auch auf Seiten der Autohersteller besteht Druck, das Thema E-Mobilität weiter zu forcieren. Und die deutschen Konzerne haben auch schon viel Geld in den Umbruch gesteckt. Denn ab 2021 drohen ihnen Milliardenstrafen, sollte die von der Europäischen Union vorgeschriebene CO2-Obergrenze für die Flotte der Autobauer nicht eingehalten werden. So möchte Volkswagen zum Beispiel bis Ende 2023 eine Million E-Fahrzeuge herstellen und dafür 33 Milliarden Euro investieren. Und bei BMW soll im Jahr 2025 jedes dritte Auto, das vom Band rollt, elektrisch sein.

Bleibt zu hoffen, dass auch die Privatkunden mitziehen. Denn viele von ihnen sehen immer noch den relativ hohen Preis für ein Elektrofahrzeug und die zu schwache Ladeinfrastruktur als Hürde. Hoffnung könnte die Tatsache machen, dass Verhaltensänderungen die größte Chance in Zeiten von Krisen haben. Oder, dass die Preise für E-Fahrzeuge sinken, wenn sie in signifikanten Mengen produziert werden. Oder, dass das Ladenetz dank Förderung und Angeboten wie das von DKV so schnell wächst, dass kein Autofahrer mehr befürchten muss, auf der Strecke liegenzubleiben.

*Gemeinschaftsdiagnose der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, Stand Juni 2020
** OECD, Stand Juni 2020