Bunte Farben für mehr Übersicht
Wer Lebensmittel bewusst konsumieren möchte, der geht bei Obst und Gemüse mit den Jahreszeiten oder greift bei regional erzeugten Produkten zu. Keine Erdbeeren im Januar also? So einfach ist es aber leider nicht immer. Für Verbraucher ist es oft schwer, den Überblick zu behalten, welche Lebensmittel besonders klimaschädlich sind. Ein neues Klimalabel könnte da Abhilfe schaffen. Sonnenallee hat es sich genauer angesehen.
Starten wir mit einer starken Zahl: Ein Fünftel der persönlichen Klimabelastung verursacht jeder von uns hierzulande durch Lebensmittel. Das zeigen Daten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbrauchschutz. Damit könnte jeder von uns einen deutlichen Beitrag leisten, wenn er oder sie beim Einkauf bewusster zugreift.
Dass bei der Erzeugung von Fleisch hohe Emissionen entstehen, ist uns Verbrauchern mittlerweile bekannt. Aber nur wenige wüssten, dass Käse auch nicht viel besser abschneidet als Fleisch, erklärt Professor Achim Spiller von der Universität Göttingen, der eine neuartiges Klimalabel erarbeitet und vorgeschlagen hat. Noch schwieriger werde es bei der Kaufentscheidung bei Tomaten, die hierzulande im Winter in Treibhäusern angebaut werden müssen, in Spanien aber ohne Einsatz von Energie reifen, dafür aber nach Deutschland transportiert werden müssen. Wer soll da durchsteigen, welche Tomate klimafreundlicher produziert wurde?
Bunte Skala wie beim Nutri-Score
Ein einheitliches Klimalabel könnte Licht ins Dunkel bringen. Spillers Strategie ist ein Herantasten mit Durchschnittswerten für die Produktgruppen. Farblich angepasst, so wie es Verbraucher bereits vom Nutric-Sore kennen. Eine geringe Klimabelastung bekommt die Farbe Grün, eine sehr hohe die Farbe Rot zugeordnet. Neben der Farbcodierung solle das Label auch eine Angabe zu den CO2-Äquivalenten enthalten, so Spillers Vorschlag.
In einem ersten Schritt würde jeder Liter Milch auf der Farbskala gleich bewertet werden. So sei etwa eine Abgrenzung zu Ersatzprodukten möglich, erklärt der Agrarprofessor. In einem zweiten Schritt könnten die Lebensmittelproduzenten dann für sich entscheiden, ob sie ihr Produkt klimaschonender herstellen können oder dies bereits schon tun – etwa durch den Einsatz von Ökostrom. „Sie könnten den Klimawert ihrer Produkte individuell berechnen und mit einem besseren Ergebnis als dem Durchschnittswert werben“, erklärt Spiller, der das Klimalabel dahingehend auch als Marketinginstrument versteht.
Der Clou: Ein Klimalabel könnte damit nicht nur für mehr Transparenz bei uns Verbrauchern, sondern auch für mehr Aufmerksamkeit der Lebensmittelwirtschaft in punkto Klimaschutz sorgen. „Den Unternehmen und uns allen muss klar sein, dass wir uns jetzt um Klimaschutz kümmern müssen“, unterstreicht Agrarprofessor Spiller. „Den Zug aufhalten zu wollen, kann keinesfalls die richtige Strategie sein.“
Impuls durch neuen Vorschlag
Dass die Einführung eines solchen Labels ein harter Weg werden kann, dessen ist sich Achim Spiller bewusst. „Beim Klimalabel liegen die Fallstricke in Endlosdisputen über die Form und das Design des Labels, Normierungsprobleme bei der Berechnungsweise, die Bezugsbasis der Berechnung und insbesondere auch über Verpflichtung vs. Freiwilligkeit“, erklärt er, „Daher möchten wir mit unserem Vorschlag einen entscheidenden Impuls geben.“
Er empfiehlt dennoch ein verpflichtendes, staatliches Klimalabel. Kleinbetriebliche Segmente sollten laut seiner Empfehlung zunächst ausgenommen werden. „Deutschland könnte hier eine Pionierposition in der EU einnehmen und ein vergleichsweise effizientes Instrument der Verbraucherinformation in einem Sektor voranbringen, der ansonsten weitgehend von den Klimaschutzinstrumenten ausgenommen ist“, erklärt Spiller. In der vorgeschlagenen Form sei das Klimalabel auch ein relativ preisgünstiges Instrument der Klimapolitik, das über die direkte Wirkung auf den Konsum hinaus helfen können, die Diskussion auf eine sachlichere Ebene zu bringen.
Ein Start-up macht Labeling einfacher
Erfahrungen mit Food-Labelling zeigen allerdings auch, dass die Entwicklung von Labeln anfällig für Lobbyprozesse ist. Die Herleitung des Umweltfußabdruckes für ihre Produkte können Unternehmen mittlerweile in Auftrag geben. Etwa beim Schweizer Start-up Eaternity.Basierend auf den vorhandenen Lebensmitteldaten erstellt das Unternehmen eine detaillierte wissenschaftliche Nachhaltigkeitsmetrik des jeweiligen Produktes.
Die Gründer haben sich zum Ziel gesetzt, dass künftig in jedem Restaurant und auf jedem Lebensmittelmarkt eine nachhaltige Auswahl an Produkten angeboten werden kann. Um dies zu erreichen, baut Eaternity die nächste Generation von technischen Lösungen und Dienstleistungen für die Lebensmitteldienstleistungsindustrie auf. „Mit dieser technischen Lösung könnten die Durchschnittsberechnungen für das von uns vorgeschlagene Klima-Label relativ einfach umgesetzt werden“, so Spiller von der Uni Göttingen und verweist damit darauf, dass das Label machbar und sinnvoll ist.
Sofern diese denn gewollt ist. Bisher gibt es von politischer Seite noch Vorbehalte gegen ein weiteres Labeling. Dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geht das vorgeschlagene Klimalabel etwa nicht weit genug. Es greife nur einen Teil der Umweltprobleme auf. Spiller entgegnet: „Ein Klimalabel betrachtet die gesamte Wertschöpfungskette. Richtig ist, dass der Treibhausgas (THG-)Ausstoß nur einen Teil der Umweltbelastung abbildet. Allerdings den umweltpolitisch heute wohl wichtigsten.“
Auch wenn vielleicht noch nicht alle Herausforderungen beim Design eines Klimalabels gelöst sind. Es könnte aber ein erster wichtiger Schritt für mehr Verbrauchertransparenz sein und zu mehr umweltbewusstem Konsum führen.