Ohne Kohle Kohle machen

Warum nachhaltige Energie kein teurer Trend mehr ist.
5
3 Min.

Text: Felix Bürkle, 21.08.2020

Erneuerbare Energien – ein Thema, das polarisiert. Nicht zuletzt, weil es unweigerlich mit der zunehmend erhitzten Debatte um den Klimawandel und dessen Bekämpfung verknüpft ist. Denn während die einen regenerative Lösungen zur Stromerzeugung als einzige Alternative für den Fortbestand unseres Planeten anpreisen, sehen andere in ihnen ein ideologisch geprägtes Konstrukt, das höchstens in den Kinderschuhen steckt und nicht mal den Anforderungen der Gegenwart genügen kann. Aber ist dieser Vorwurf berechtigt? Eine international geschätzte Organisation sagt: nein – und zeigt sogar auf, wie erneuerbare Energien langfristig den Wohlstand sichern und die Energiepreise für Endverbraucher senken könnten.

Im Schattendasein

Betrachtet man die aktuelle Situation von erneuerbaren Energien in Deutschland, so lässt sich dieses angespannte Verhältnis an vielen Stellen erkennen. Auf der einen Seite besetzen Demonstranten von der Abholzung bedrohte Wälder oder Baustellen, auf denen Kohlekraftwerke errichtet werden sollen. Auf der anderen formieren sich, wann immer irgendwo der Bau von Windrädern geplant wird, gut organisierte Bürgerinitiativen, die sich vor zu viel Schatten auf ihren Terrassen fürchten und so die Projekte nicht selten verhindern. Diese, wenngleich überspitzten, Beispiele zeigen, wie gespalten die breite Masse der Bevölkerung den erneuerbaren Energien entgegenblickt. Doch woher kommen diese Zweifel?

Teuer, ineffizient und nicht leistungsfähig?

Erneuerbare Energien fühlen sich für viele wie eine Alternative an, die man gar nicht braucht. Schließlich kommt der Strom doch seit Jahrzehnten zuverlässig aus der Steckdose. Warum sollte man da etwas ändern? Als vergleichsweise neue Art der Stromproduktion hatten erneuerbare Energien genau hier bisher eine große Schwachstelle. Doch nicht nur das Vertrauen in ihre Zuverlässigkeit fehlte. Auch technisch und wirtschaftlich betrachtet konnten die Technologien lange nicht mit den etablierten Systemen konkurrieren. Ihre Entwicklung und der Betrieb kosteten mehr Geld, als sich mit ihnen verdienen ließ.
Das schreckte in letzter Konsequenz auch die Endverbraucher ab, denen sogenannter Ökostrom über viele Anbieter längst zur Verfügung stand. Auch private Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach wurden eher belächelt. Alles war irgendwie neu und unsicher. Horrorszenarien vom Zusammenbruch der Stromversorgung machten die Runde, würde man, wie von einigen gefordert, zeitnah komplett auf fossile Energieträger verzichten.
Doch bei genauerer Betrachtung scheinen diese Zeiten 2020 weitgehend vorbei. Und erneuerbare Energien sind auf einem guten Weg, in jeder Hinsicht die beste Alternative zu werden.

Gemeinsam zu mehr Nachhaltigkeit

2009 formierte sich die internationale Regierungsorganisation IRENA, die „International Renewable Energy Agency“. Dieses Bündnis aus über 160 Staaten hat sich die Förderung und Nutzung erneuerbarer Energien zum Ziel gesetzt. Erste Ideen zu einem solchen gehen bis in die 1980er-Jahre zurück, in denen sich eine Kommission unter Leitung des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt mit internationalen Entwicklungsfragen beschäftigte. Heute zählt IRENA zu den angesehensten Organisationen im Bereich erneuerbarer Energien und trägt mit Berichten, Studien und weiteren Publikationen regelmäßig dazu bei, das Thema in den Vordergrund zu rücken.

Zehn Jahre, die alles verändern?

Im Juni 2020 veröffentlichte IRENA den Bericht „Renewable Power Generation Costs in 2019“. Anders, als der Titel spontan vermuten lassen könnte, handelt dieser jedoch nicht nur vom Jahr 2019, sondern lässt sich als eine Art Resümee des vergangenen Jahrzehntes verstehen. Und laut IRENA war dieses eine Zeit, in der sich die gesamte Branche rund um erneuerbare Energien so stark weiterentwickelt hat, dass diese nun endgültig von einer kritisch beäugten Vision zur echten Alternative werden könnten.

Photovoltaik: effizient wie noch nie

Die wohl beeindruckendste Zahl liefert das von IRENA zum Bericht veröffentlichte Quicksheet schnell zu Beginn: Die Stromgestehungskosten für Photovoltaik sind seit 2010 um 82 Prozent gesunken. Bei großen PV-Anlagen lassen sich so bereits Kilowattstunden-Preise von 0,068 US-Dollar erreichen. Man muss kein Wirtschaftsexperte sein, um zu erahnen, dass diese Entwicklung enormes Potenzial für alle im Energiemarkt beteiligten Parteien birgt. Auch die Kosten für die Produktion von Windenergie können an Land mit 39 Prozent und zu Wasser mit 29 Prozent respektable Senkungen vorweisen. Zur Ermittlung dieser Zahlen wertete IRENA 2019 die Kostendaten von über 17.000 Projekten aus. Das Gesamtergebnis: Bei 56 Prozent aller neu in Betrieb genommenen Anlagen lagen die Kosten unter der günstigsten vergleichbaren Alternative mit fossilen Brennstoffen. Laut Berechnungen von IRENA werden 2021 in Auftrag gegebene Projekte die oben angedeuteten Zahlen nochmals massiv unterbieten, so dass PV-Preise von 0,039 US-Dollar pro Kilowattstunde erreicht werden können. Verglichen mit Kohlekraft wären sie damit um 20 Prozent günstiger.

Als Grund für die überproportional gute Entwicklung bei der Photovoltaik nennt IRENA die um etwa 80 Prozent gesunkenen Anschaffungskosten für Solarmodule, welche bisher die Amortisierung erschwerten und so auch Endverbraucher abschreckten. Nun jedoch steigt deren Attraktivität für Erzeuger sowie gewerbliche und private Nutzer des Stroms immens.

Eine Frage der Kohle

Im Moment nimmt die Kohlekraft jedoch weiter eine zentrale Rolle ein. Um sich das wirtschaftliche Potenzial erneuerbarer Energien zu vergegenwärtigen, ist jedoch auch zu bedenken, welche Sparpotenziale sich ergeben, wenn in Zukunft konsequent auf Kohle verzichtet wird.

IRENA führt hierzu folgende Rechnung an: Würde man die am wenigsten wettbewerbsfähigen 500 Gigawatt bestehender Kohlekraftwerke durch Photovoltaik und Windkraft ersetzen, würden die Systemgestehungskosten, je nach Kohlepreis, um zwischen 12 und 23 Mrd. US-Dollar pro Jahr sinken. Kosten, die bisher zu großen Teilen auf die Endkunden umgelegt worden sind. Mit der konsequenten Förderung erneuerbarer Energien ließen sich die Kosten der Stromerzeugung deutlich reduzieren, da neben unabdingbaren Maßnahmen wie Wartungen und Netzarbeiten der finanziell wohl entscheidendste Kostenfaktor entfällt – die Beschaffung fossiler Brennstoffe.

Durch Unabhängigkeit zum Wohlstand

Auch wenn das Ersetzen alter Kohlekraftwerke zunächst mit Investitionen einhergeht, kann langfristig jedoch ein sich amortisierendes System geschaffen werden, von dem wirtschaftlich alle profitieren – vom Erzeuger bis zum Endkunden. Doch die Energieversorgung ist nicht nur eine Frage des Geldes.

Fossile Brennstoffe sind endlich und nur in bestimmten Regionen der Erde verfügbar. Dies führt zu Abhängigkeitsverhältnissen, die nicht selten schon zu massiven politischen Spannungen führten, wenn sie als Druckmittel eingesetzt wurden. Erneuerbare Energien können hier Abhilfe schaffen und die Stromerzeugung gewissermaßen demokratisieren. Denn Wind, Wasser und Sonne sind, wenngleich in verschiedenen Ausprägungen, immer verfügbar. Sofern die nötige Technologie und Infrastruktur vorhanden (und gewollt) sind, lässt sich die Stromversorgung garantieren.

Nachhaltiger, günstiger, sicherer – das ist die Stromversorgung der Zukunft dank erneuerbarer Energien. Wer jetzt investiert, verschafft sich den entscheidenden Vorsprung, um in Zukunft Umweltschutz und wirtschaftliche Effizienz ideal zu vereinen.