Der spannende Fall des PV-Deckels
Wenn man sich als außenstehender Betrachter mit der Thematik des PV-Deckels, der auch bekannt ist unter „52-Gigawatt-Deckel“, näher beschäftigt, bleibt einem zunächst fast nichts weiter übrig, als sich zu wundern: Über Politiker, die sich ein Menge Zeit lassen, bei dem Thema eine eindeutige Gesetzesvorlage umzusetzen und damit Klimapolitik konterkarieren. Grund genug, sich die Geschichte vom Aufstieg und Fall des PV-Deckels einmal näher anzuschauen.
Grundsätzlich geht es beim sogenannten 52-Gigawatt-Deckel darum, dass die Förderung (Einspeisevergütung) für Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt Leistung beim Erreichen einer gesamt installierten Leistung von 52 Gigawatt wegfällt. Ein solches Limit war mit der EEG-Novelle 2012 beschlossen worden. Die Brisanz dahinter: Stand Anfang Juli 2020 waren gerade noch knapp 1,5 Gigawatt bis zum Erreichen der Marke übrig. Das Ende der Förderung und damit zusammenhängende Umsatzeinbrüche im Photovoltaik-Bereich drohte somit schon Ende Juli.
Doch anders als im September 2019 vorgestellten Klimapaket versprochen, ließ sich die Bundesregierung bis zum 03. Juli 2020, also bis 5 vor 12 Zeit mit der Abschaffung des Deckels und reagiert damit, so wie es scheint, auch nur auf massiven Druck der gesamten Solarindustrie, die sogar mit einer Verfassungsbeschwerde drohte.
Jemand, der uns Antworten geben kann, wie und warum es überhaupt zu dieser dramatischen Zuspitzung kommen konnte und wie der „Deckel-Fall“ perspektivisch einzuordnen ist, ist Eric Quiring, der als Public Affairs Specialist für SMA die politischen Prozesse in Berlin beobachtet und im engen Austausch mit Industrieverbänden steht.
Können Sie einem branchenfremden Leser kurz erklären, was es mit dem PV–Deckel auf sich hat? Und wie kam es überhaupt zu dieser Deckelung?
Eric Quiring: Wie es der Begriff schon sagt, ist es eine Deckelung der Förderung für PV-Anlagen. Die Höhe dieser Deckelung von 52 GW wurde 2012 vom damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier festgelegt und beruhte auf damaligen Annahmen zu der Preisentwicklung der PV und klimapolitischen Aspekten.
Dass dieser Grenzwert so nicht mehr passte, war schon etwas länger klar. Daher wurde die Deckelung bereits letztes Jahr im Klimaschutzplan 2030 gestrichen. Denn es besteht Konsens darüber, dass wir ohne erneuerbare Energien nicht mehr lange Versorgungssicherheit leisten können.
Warum musste er aus Ihrer Sicht dringend gestrichen werden?
EQ: Seit der Einführung des Deckels ist die Energiewende vorangeschritten. Unser Stromverbrauch ist gestiegen, unsere Netze sind flexibler geworden und Klimaschutz rückt immer mehr in den Mittelpunkt. An dieser alten Grenze festzuhalten, entspricht nicht mehr der Realität, in der wir leben. Darüber hinaus zögerten bereits die ersten Kunden, in erneuerbare Energieversorgung zu investieren, da die Deckelung bereits nächsten Monat erreicht werden könnte.
Wie können Sie sich erklären, dass die Entscheidung sprichwörtlich bis zur letzten Sekunde hinausgezögert wurde und damit eine ganze Zukunftsbranche nicht nur starken Unsicherheiten ausgesetzt wurde, sondern auch mit einer spürbar geringeren Investitions-Lust klarkommen musste?
EQ: Da sprechen Sie in der Tat ein heikles Thema an. Um auf die Frage eine Antwort zu finden, macht es Sinn zu fragen, welche Interessen diesen Prozess beeinflussen und welches Motiv dahinter zu vermuten ist.
Prinzipiell gibt es eine traditionelle Konfliktlinie zwischen den Akteuren der unterschiedlichen Energieversorgungstechnologien. Der Konflikt besteht darin, wie unsere Energieversorgung in Zukunft ausgestaltet werden soll. Zentral und basierend auf fossilen Energieträgern oder dezentral, mit einem großen Anteil von Erneuerbaren Energien. Jede Gruppe hat das Interesse den eigenen Anteil am der Energiemix zu vergrößern. Seitens der erstgenannten Gruppe besteht immer noch ein Interesse, dass die Erneuerbaren Energieversorgung nicht zu dominant wird. Das Resultat wird im dem medialen Begriff der letzten Wochen, die „Geiselhaft der Solarindustrie“ deutlich.
Dieser Begriff beschreibt die absurde Situation, dass Windenergie und Solarenergie nicht dort eingesetzt werden, wo es Sinn macht, sondern von Seiten der Fossile Energien Befürworter gegeneinander mit bürokratischen Ausbaubeschränkungen ausgespielt werden sollten. Die Kompromissfindung zwischen Wind und Solar hat enorm viel Kraft gekostet. Das ist paradox, wenn man bedenkt, dass beide Energieerzeugungsarten erneuerbar sind und wir viel mehr davon brauchen. Hier wurde klar auf Zeit gespielt, um die Erneuerbare Energien Branche zu verunsichern.
Was hat SMA mit dieser Entscheidung zu tun?
EQ: SMA unterstützt die Erneuerbaren Energien dabei, sich zu einem nachhaltigen und wirtschaftlichen Energieversorgungskonzept zu entwickeln. Dabei spielen politische Rahmenbedingungen eine immer wichtigere Rolle. Wir wollen uns mit unserer Expertise und der Perspektive unserer Kunden in den Diskurs einbringen. Kleines Beispiel: Bis das Produkt bei uns bestellt wird und bei Kunden ankommt, braucht es eine gewisse Zeit. Entsprechend sollte man dem Installateur auch etwas Zeit einräumen. Danach hat der Kunde zudem einen Monat Zeit, seine Anlage anzumelden. Diesen ganzen Prozess haben wir im Blick. Daher war es uns wichtig, zu erklären, dass die Umsetzung zur Abschaffung des 52-GW-Deckel eher schnell als langsam vollzogen werden muss, damit die Solarindustrie nicht abgewürgt wird. Denn faktisch hieß das, wer im Mai eine Anlage plante und die Komponenten bestellte, wusste nicht, ob er im August die Förderung für diese Anlage bekommen würde.
Warum ist die Entscheidung für die Solarbranche so wichtig?
EQ: Für die deutsche Solarindustrie bedeutet es, dass es wieder Planungssicherheit zur Erreichung der Zielmarke für die Zielvorgabe 98 GW PV-Leistung bis 2030 gibt. Das ist einer von vielen Schritten, um klimapolitische Maßnahmen mit einer nachhaltigen Wirtschaft zu verbinden.
Auf wen hat die Entscheidung am meisten positive Auswirkungen? Und wie stellen die sich dar? Bezogen auf die Hersteller, die gewerblichen Nutzer oder die privaten Nutzer…
EQ: Eigentlich betrifft uns das alle, denn mit mehr Sonnenenergie schaffen wir das 65- Prozent-Ziel und damit auch die benötigte Treibhausreduktion, um unseren Planeten weiterhin bewohnbar zu halten. Das wirtschaftliche Potenzial daraus resultiert für die Anlagen, die weiterhin gefördert werden, also kleiner als 750 kWp. Da gewerbliche Dachanlagen häufig teurer sind als Anlagen auf einer freien Fläche, profitieren wohl eher die zweitgenannten Anlagen, wenn sie Ihren Strom direkt verkaufen. Die gute Nachricht für alle privaten Kunden, die neben dem Eigenverbrauch ihren Überschussstrom in das Netz einspeisen, besteht darin, dass der Strom auch weiterhin vergütetet wird.
Reicht es aus Ihrer Sicht, dass der PV–Deckel gestrichen wurde oder sehen Sie noch weiteren Handlungsbedarf, was die Förderung von PV angeht? Und wie sollte die aussehen?
EQ: Der Solardeckel war tatsächlich eine Altlast, die wir mitgeschleppt haben und die den Ausbau gehemmt hat. Um das 65-Prozent-Ziel zu erreichen, müssen wir weit mehr tun, als Altlasten zu beseitigen. Dazu gehört, dass wir in urbanen Räumen präsenter werden und Solarstrom für Mietkonzepte ermöglichen – damit alle von kostengünstigem Strom profitieren können. Es gibt seriöse Studien, die beschreiben, dass wir die Ausbaumenge von jährlich 2,5 GB auf mindestens 10 GB erhöhen müssen. Genauso entscheidend ist es, dass Menschen, die ihren Strom selbst nutzen und nicht ins Netz einspeisen, von Netzumlagen nicht belastet werden.
Die bereits geplante EEG-Novelle für das Jahr 2020 bietet jedenfalls genau den richtigen Rahmen, um die richtigen Schritte folgen zu lassen.
Vielen Dank für das informative Gespräch!