Lieber Fair Fashion als Fast Fashion

Interview mit Fair Fashion Influencerin Livia van Heerde
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7 Min.

Text: Martin Brunner, 20.09.2020

Fair Fashion heißt die nachhaltige Alternative zur Fast Fashion. Aber was genau sind da eigentlich die Unterschiede? SONNENALLEE fragt nach bei einer Influencerin für nachhaltige Mode.

Seit Jahren läuft die Produktion im Turbogang, Fast Fashion lautet die Devise: jede Woche eine neue Kollektion, möglichst schnell und möglichst immer noch billiger hergestellt. Und die Konsumenten kaufen bis die Kleiderschränke überquellen. Doch das hat Konsequenzen.

Der Textilsektor erzeugt mit 4-5 Mio. t/a (8-10 Prozent des weltweiten Gesamtausstoßes) höhere CO2 Emissionen als der gesamte Flug- und Schiffsverkehr weltweit, verbraucht 79 Mio. Liter Wasser und ist für 20 Prozent der globalen Wasserverschmutzung sowie 35 Prozent des Mikroplastiks in den Ozeanen verantwortlich. Wie ernst nehmen Unternehmen das und was bedeutet es für den eigenen Lifestyle? Sollen wir lieber weniger Klamotten kaufen, dafür aber teurere und hochwertigere? Livia van Heerde weiß Rat. Sie ist 23 Jahre alt, Influencerin für Nachhaltige Mode und Bloggerin zum Thema Klimawandel, Nachhaltigkeit und Veganismus. Sie lebt in Wien und London, wo sie Umweltwissenschaften und Klimawandel studiert hat.

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Livia van Heerde weiß Rat. Sie ist 23 Jahre alt, Influencerin für Nachhaltige Mode und Bloggerin zum Thema Klimawandel, Nachhaltigkeit und Veganismus.

Sonnenallee: Warum wird Fast Fashion überhaupt noch gekauft, eigentlich weiß doch jeder, wie schlecht das ist?
Livia van Heerde: Das Konsumverhalten hat sich sehr stark verändert. Die vorherige Generation trug Kleidungsstücke oft für Jahrzehnte. Dann wurde Kleidung billiger, so konnte mehr ausprobiert werden, sowohl von Designern als auch von Konsumenten. Und jetzt sind die Leute das einfach gewohnt. Sie wollen, dass das so bleibt, dass sie ausprobieren, sich stilistisch öfter neu erfinden können und es ist schwierig, das zu ändern.

Die Kleidung ist auch gar nicht mehr darauf ausgelegt, lange zu halten, oder?

LvH: Nein, zumindest nicht die Massenware. Hier ist die Qualität oft schlecht, weil nur noch auf billig geachtet wird, bei der Herstellung wie beim Kauf. Ein billiges Kleid heute besteht zum Beispiel nur noch aus einem Stück Stoff. Früher waren es mal zwei oder mehr. Aber das bedeutet mehr Arbeitsschritte und dadurch einen höheren Endpreis. Auch die Nähte halten oft nicht mehr lange, weil alles super schnell gehen muss. Es wird auch nur sehr wenig repariert, denn oft kostet die Reparatur weniger als ein neues Kleidungsstück.

Und wie ist das bei der Ware von kleineren Anbietern, die nicht so auf Masse gehen, wie die bekannten Moderiesen?

LvH: Kleine Designer versuchen oft, möglichst nachhaltig zu sein, auch weil es gerade im Trend liegt. Da ist die Qualität auch meist besser. Aber das ist dann eben nicht billig. Nachhaltigkeit ist schon auch ein Stück weit Luxus. Man muss es sich schon leisten können. Vor allem bei Kindermode ist das ein schwieriges Thema. Kinder wachsen ja, die können Sachen nicht 20 Jahre tragen. Und für die Mehrkindfamilie mit Durchschnittseinkommen wird’s da schon eng. Hier ist Second-Hand-Mode eine gute und günstigere Alternative. Kleidertausch-Partys oder Plattformen wie Kleiderkreisel sind super dafür.

Wenn man durch die Fußgängerzonen bummelt, sieht man eigentlich immer die üblichen Moderiesen. Wo findet man denn nachhaltige Mode?
LvH: Ja, die Sichtbarkeit ist leider ein Problem bei kleineren nachhaltigen Anbietern. Die gibt es häufig nur online, auch um Lagerkosten und Miete zu sparen. Dadurch sind sie eben leider nicht so alltagspräsent.

Die Großen Modehäuser haben inzwischen ja auch alle Öko-Kollektionen. Ist das überzeugend oder nur Augenwischerei?
LvH: Es bringt es nichts, die großen Modehäuser generell zu verteufeln, denn die wird es immer geben. Aber es ist wichtig, kritisch zu bleiben, zu sagen, gut, dass ihr erste Schritte macht, aber es ist noch nicht genug. Bei den Großen sieht man öfter so Tricksereien. Da werben sie mit Bio-Baumwolle, aber es ist nicht 100% Bio-Baumwolle, sondern nur ein Anteil. Oder sie werben mit recyceltem Polyester, und wenn man dann genauer hinschaut, stellt man fest, dass es nur das Wäscheschild ist, das aus recyceltem Material besteht. Und selbst wenn ich einen Kunststoff recycle, bleibt er trotzdem ein Kunststoff, das ändert nicht die Tatsache, dass beim Waschen Mikrofasern ins Abwasser und am Ende ins Meer gelangen. Allerdings ist die Textilindustrie auch sehr komplex. An jedem Kleidungsstück hängen sehr viele Prozesse dran, da ist es nicht so einfach, sich umzustellen.

Welche Prozesse zum Beispiel?
LvH: Das fängt bei der Produktion von Rohmaterial an, etwa beim Baumwollanbau. Aus der Faser muss ein Stoff hergestellt werden, dann geht es um Färbemittel, Vorbehandlung, Nachbehandlung, Entsorgung der Farben und sonstigen Chemikalien und, und, und.

Aber wo ein Wille ist, ist doch ein Weg sein, heißt es…
LvH: So einfach ist das alles nicht. Es hat sich ja schon ein wenig verändert, da Konsumenten vermehrt nachhaltige Produkte verlangen. Klar, die Politik muss da auch mitmachen und einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen schaffen. Aber ganz abgesehen davon, ist es schier unmöglich, beispielsweise genügend Bio-Baumwolle zu produzieren, für diese enormen Mengen an Textilien. Kleinere Hersteller können viel besser nachhaltig sein, weil sie einfach sehr viel weniger Herstellen. Die großen Modehäuser produzieren viel zu viel. Das führt dazu, dass zum Teil unverkaufte Neuware tonnenweise verbrannt wird.

Also lieber weniger, als Massen-Bioproduktion?
LvH: Genau. Es geht darum, den Konsum zu reduzieren. Wenn der Kleiderschrank trotz nachhaltiger Produktion aus allen Nähten platzt, ist nichts gewonnen. Bewusster Konsum ist das Ziel. Ich will nicht extrem sein und möchte den Leuten auch nicht Konsumverweigerung predigen, weil das wäre auch unrealistisch. Aber ich möchte ein Bewusstsein für den eigenen Konsum schaffen, denn das hilft schon viel. Jeder soll sich informieren, mit Menschen reden, und einfach ein Paar Dinge Verändern an seinem Konsumverhalten. Das tut nicht weh und man leistet einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz.

Hast Du noch ein paar Tipps und Anregungen?
LvH: Wie gesagt, einfach bewusster konsumieren. Man kann sich ja vor jedem Kauf erstmal fragen: „brauche ich das jetzt wirklich?“. Dann beim Kauf lieber zu Kleidung aus Natur- als aus Kunstfaser greifen und am besten Second-Hand einkaufen, oder eben tauschen. Ansonsten, die Sachen so lange wie möglich tragen und bei Bedarf reparieren. Das trägt alles dazu bei, die Übermengen und damit auch die Müllberge, den Ressourcenverbrauch und den Schadstoffausstoß zu reduzieren.

Wer Livia folgen möchte: liviavanheerde.com (Blog)/ @liviavanheerde (Instagram)

Welchem Siegel, welcher Marke kann man trauen?

Für Konsumenten, die Wert auf nachhaltige Mode legen, ist es gar nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Wie bei Bio-Nahrungsmitteln gibt es auch für nachhaltige Textilien eine ganze Reihe Siegel, mit denen Hersteller für ihre Produkte werben. Aber welchen davon kann man vertrauen? Und welche Modemarken produzieren wirklich nachhaltig?

Hier ein paar hilfreiche Links:

www.siegelklarheit.de/#textilien

utopia.de/bestenlisten/mode-shops-nachhaltige-mode/

goodonyou.eco

nachhaltige-mode.de