Über die Grenzen des Recyclings
Bioplastik scheint aktuell die einzige Alternative zu erdölbasiertem Kunststoff. Hierfür arbeitet die Forschung an vielfältigen Materialien. Als äußerst vielversprechend erweisen sich dabei sowohl biologisch produzierbare als auch abbaubare Bioplastik-Varianten wie Polymilchsäure (PLA), Polyhydroxyalkanoate (PHA) sowie Polybutylensuccinat (PBS). Aber auch hier kommt es nach wie vor auf die Ressourcen, die Produktion und die Wiederverwertung an, damit Makro- und Mikroplastik nicht mehr Teil unserer aquatischen Lebenswelten werden. Denn auch Bioplastik kann den Lebewesen insbesondere im Ozean schaden. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, ist es essenziell, Bioplastik fest im Recycling-System zu verankern.
Um ein tiefergehendes Verständnis für diesen Recyclingprozess zu erhalten, hat SONNENALLEE mit Frau Constance Ißbrücker vom Branchenverband European Bioplastics über wirklich nachhaltiges Bioplastik, Kompostierverfahren und die Grenzen des Recyclings gesprochen.
Frau Ißbrücker, Sie arbeiten für den Branchenverband European Bioplastics, der Bewusstsein für Biokunststoffe schaffen möchte. Umweltbundesamt, Umweltverbände und Medien betrachten das Thema aber eher kritisch. Haben sie Recht, oder gibt es Stoffe und Anwendungen, die aus Ihrer Sicht wirklich nachhaltig und zudem bezahlbar sind?
Constance Ißbrücker: In der Tat gibt es viele wirklich nachhaltige Biokunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen – sowohl biologisch abbaubare als auch recyclefähige. Bei Verpackungen, die mit verderblichem und kompostierbarem Inhalt wie Blumen oder Lebensmitteln wie beispielsweise Obst und Gemüse in Berührung kommen, macht biologische Abbaubarkeit Sinn. Dies ist bei einer Verpackung für Paprika der Fall, bei einer Shampoo-Flasche hingegen weniger. Zu den ökologisch und ökonomisch vertretbaren Bioplastik-Anwendungen zählen unter anderem auch kompostierbare Kaffeekapseln – und was weniger bekannt ist: Teebeutel, die zum Teil auch nicht-abbaubaren Kunststoff enthalten.
All dies sind übrigens Aussagen, die wir durch Studien und Forschungsarbeit belegen können. Es ist schade, dass wir von den Medien eher selten dazu befragt werden.
Bei komplexen Themen wird ja gern vereinfacht.
CI: Ich selbst bin Chemikerin und habe viele Jahre zum Thema Biopolymere im Labor geforscht. Trotzdem ist dies auch für mich immer noch ein komplexes Thema. Die vielen unterschiedlichen Alternativstoffe zu erdölbasiertem Plastik zu erfassen und zu bewerten, ist nicht einfach und für Außenstehende sicher oft ein Buch mit sieben Siegeln.
Eine gewisse Akzeptanz haben Biokunststoffe in Deutschland aber schon. Hierzulande dürfen Bioabfallbeutel, die aus bioabbaubaren Rohstoffen bestehen, unter bestimmten Voraussetzungen in die Biotonne.
CI: Ja, das ist vermutlich unser kleinster gemeinsamer Nenner mit dem Umweltbundesamt und einem Teil der Kompostanlagenbetreiber. Aber auch da bekommen wir Gegenwind, weil die Tüten laut Norm zwölf Wochen brauchen dürfen, um in Kompostieranlagen abgebaut zu werden. Die meisten Anlagen sind auf eine so lange Verweildauer aber nicht mehr ausgerichtet. Viel zu wenig bekannt ist, dass ein Großteil der Materialien deutlich schneller abbaut, also tatsächlich innerhalb der Laufzeiten der Anlagen. Das liegt daran, dass bei den Tests in der Regel ein Biokunststofffilm verwendet wird, der sehr viel dicker ist als das Material, das dann bei den Tüten zum Einsatz kommt. In Deutschland wurde 2020 eine Studie durchgeführt, die belegt, dass Biokunststoffprodukte in den meisten getesteten Kompostieranlagen vorschriftsmäßig abbauen und keine Quelle für Mikroplastik im Kompost der Anlagen darstellen.
Die Materialien, die innerhalb der Laufzeiten der Anlagen abbauen, müssten für die Verbraucher*innen aber gekennzeichnet sein. Das ist bislang nicht der Fall.
CI: Das stimmt. Es gibt bisher nur Kennzeichnungen über eine Zersetzung in zwölf Wochen. In verschiedenen Ländern gibt es jedoch bereits Initiativen, die mit einem zusätzlichen Label eine kürzere Desintegrationszeit bestätigen. Auch die EU-Norm wird vermutlich demnächst überarbeitet. Parallel dazu sind wir im Dialog mit den Kompostieranlagenbetreibern, um herauszufinden, welche Verweilzeiten zweckmäßig sind.
Unsere Nachbarländer, allen voran Frankreich und Italien, haben sehr viel strengere Vorschriften, was die Kompostierbarkeit von Biokunststoffen angeht.
CI: Ja, in Frankreich gibt es die Vorschrift, dass beispielsweise Bioplastiktüten aus dem Supermarkt nicht nur industriell, sondern auch heimkompostierbar sein müssen. Das heißt, sie müssen sich in einer vorgeschriebenen Zeit im heimischen Komposthaufen zersetzen. Damit dies gelingt, braucht es nicht nur die passenden Stoffe, sondern auch eine umfassende Verbraucheraufklärung – denn Kompost muss ja ausgiebig gewendet und umgegraben werden. Auch dafür gibt es übrigens Normen mit genauen Anforderungen.
Ist es wirklich eine gute Idee, Bioplastik im eigenen Garten zu kompostieren, von wo aus das Material ja dann in die Umwelt gelangt?
CI: Wir haben den Eindruck, Politik und Verbraucher wünschen sich, dass die Produkte auch in der Umwelt problemlos abbaubar sind. Wir als Verband verfolgen aber den Ansatz, Müll zu reduzieren bzw. ihn einzusammeln und im Sinne der Kreislaufwirtschaft industriell zu kompostieren oder zu recyceln. Kunststoffe, die bereits gut recycelbar sind, wie etwa PET-Flaschen, müssen nicht unmittelbar durch Biokunststoff ersetzt werden. Hier macht es aber Sinn, Neumaterial, sprich: noch nicht recyceltes Material, das ja über kurz oder lang immer gebraucht wird, aus nachwachsenden Rohstoffen zu beschaffen. Auch in der Automobilindustrie oder im Elektronikbereich wäre dies ein Thema. Denn in diesen Branchen geht es ja ebenfalls darum, schrittweise unabhängiger von fossilen Ressourcen zu werden und auf nachhaltigere Lösungen zu setzen.
Recycling hat aber auch seine Grenzen.
CI: Man kann nicht davon ausgehen, dass ein Material oder Produkt endlos recycelt wird. Mit großer Wahrscheinlichkeit folgt am Lebensende die Verbrennung. Biobasierte Kunststoffe haben hier klare Vorteile, da sie als pflanzlicher Rohstoff zuvor biogenen Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufgenommen haben – der dann wieder abgegeben wird. Das macht sich in einer deutlich besseren CO2-Bilanz bemerkbar.
Wie sieht es mit den Schadstoffen aus? In den Medien wurde jüngst berichtet, dass giftige Stoffe in Lebensmittelverpackungen aus Biokunststoff nachgewiesen wurden.
CI: Ja, dabei handelt es sich um eine Studie der Uni Frankfurt, die im Grunde aber nur herausgefunden hat, dass die Biokunststoffe genauso viele chemische Substanzen enthalten wie herkömmliche Kunststoffe. Wobei beide Gruppen die strengen EU-Sicherheitsvorgaben erfüllen. In der Medienberichterstattung wurde suggeriert, dass die Industrie für Biokunststoffprodukte etwas anderes behauptet hätte – was nicht der Fall ist. Und dies, obwohl es sogar stimmt, dass zum Beispiel kompostierbare Lebensmittelverpackungen etwas sicherer sind als Verpackungen aus konventionellem Kunststoff. Für ihre Kompostierbarkeit müssen nämlich zusätzliche Tests durchlaufen und teils strengere Vorgaben beachtet werden.
Vielen Dank für das informative Gespräch.