Waste to Energy

Wie aus Abfall Energie wird
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Text: Samime Kutlu, 04.05.2021

Jede in Deutschland lebende Person produziert im Jahr 457 kg Müll. Müllvermeidung wäre wohl das Beste für unsere Umwelt – keine Frage. Recycling klingt gut, ist aber auf viele Abfallsorten nicht zu 100 Prozent anwendbar. Eine Übergangslösung kann das Prinzip Waste-to-Energy sein. Sonnenallee hat es sich näher angeschaut.

Waste-to-energy bezeichnet im Allgemeinen die Energiegewinnung aus Abfall. Das heißt, man kann aus Abfall Elektrizität, Wärme oder Treibstoff gewinnen. Häufig verbinden Menschen das Thema mit Waste-to-Energy-Anlagen, kurz WtE-Anlagen, die Müll nutzten, um Energie zu erzeugen.

Diese funktionieren im Kern wie eine Müllverbrennungsanalage, die jedoch die Verbrennung des Abfalles zur Energiegewinnung nutzen. Sie helfen damit Treibhausgase zu reduzieren und sind im Vergleich zu Deponien umweltfreundlicher. Müll ist also für diese Anlagen eine wichtige Ressource.

Warum sind sie jetzt wichtig?

Um die Pariser Klimaziele erreichen zu können, wird es immer wichtiger Energie, emissionsarm zu erzeugen. Ein Baustein – insbesondere für die aufstrebenden Schwellenländer, in denen die Müllentsorgung mehr und mehr zum Problem wird – können Waste-to-energy-Anlagen sein. Die Asian Development Bank etwa kündigte jüngst an, Investitionen in diese Anlagen zu unterstützen: „Die ADB wird Investitionen in die energetische Verwertung von Abfällen unterstützen, da sie eine Möglichkeit für integrierte, sektorübergreifende Projekte bieten, die die Lebensqualität und Gesundheit in Städten und ländlichen Gebieten verbessern und Umweltgefahren durch Deponien verhindern”, erklärte ADB Chief of Energy Sector Group Yongping Zhai der Business-World. Insgesamt will die ADB circa 80 Milliarden Dollar für die Erreichung der Klimaziele bis 2030 bereitstellen.

Die Umweltwirkungen dieser Anlagen sind aber umstritten. Sie helfen zwar, die enormen Müllmassen zu beseitigen, die derzeit meist auf riesigen Deponien überwiegend achtlos und damit umweltgefährdend entsorgt werden. Über die Wirkung und die Emissionen, die WtE-Anlagen ausstoßen, gibt es aber sehr unterschiedliche Meinungen.

So wird die Förderung von WtE-Anlagen von der Allianz der Umweltorganisationen GAIA etwa stark kritisiert. In einem Brief an die ADB legt GAIA Argumente offen, die an der Energieleistung sowie an der Reduktion der Emissionen zweifeln lassen. In dem Brief heißt es: „ Erstens: Die WtE-Verbrennung ist keine effiziente Energiequelle. […] Zweitens ist WtE keine Klimaschutzmaßnahme und bleibt ein Hindernis für die Dekarbonisierung.“ Weiterhin legt die GAIA dar, dass Abfall in Entwicklungsländern insbesondere aus organischen Substanzen besteht, weshalb die darin enthaltene Feuchtigkeit unter hohem Energieaufwand verdampft werden muss. Zudem betont GAIA, dass die meisten WtE-Anlagen insbesondere von Plastik und nicht-organischen Abfällen ihre Ressourcen beziehen. Plastik besteht aber immer noch weitgehend aus Erdöl, weshalb dies im Widerspruch zur Emissionssenkung stehe und andere grünere Lösungen dadurch in den Hintergrund rücken.

Eine Problematik, über die auch in der australischen Ausgabe des Guardian berichtet wird. In dem Artikel vom 28. Februar 2019 von Narelle Towie heißt es: „Im Oktober 2018 genehmigte die Western Australian Environmental Protection Authority die Streichung der Infrastruktur zur Abfallsortierung aus bereits genehmigten Plänen zu Gunsten für eine 400 Mio. $ teure Müllverbrennungsanlage in Rockingham, 40 km südlich von Perth.“

Sind Waste-to-energy-Anlagen also schlecht?

Moderne WtE-Anlagen nutzen den Prozess Gasification, um Schadstoffe zu eliminieren. Hier wird der Abfall nicht verbrannt, sondern zu einem synthetischen Gas transformiert: dem Syngas. Bei diesem Prozess sollen keine giftige Asche und keine schädlichen Partikel entstehen. Dieses synthetische Gas kann dann in Diesel, Wasserstoff und Ethanol gewandelt werden. Zehn Prozent des Abfalles kann nicht in Gas verwandelt werden und wird zu einer Art Stein, der im Baugewerbe Verwendung findet.

Bei den meisten WtE-Anlagen steht Energiegewinnung wie Elektrizität oder Wärme im Fokus, doch einige spezialisieren sich auf Biodiesel oder die Rückumwandlung der Abfallstoffe in ihre ursprünglichen Rohstoffe und erweitern den Waste-to-energy-Begriff dabei. Meistens versteht man unter Waste-to-Energy solche Müllverwertungsanlagen, aber es gibt auch einige clevere Pioniere, die diesen Begriff neu gedeutet haben. SONNENALLEE hat hierfür zwei spannende Beispiele herausgesucht, die den Innovationsgeist sowie das Bestreben nach einer Zero-Waste-Gesellschaft deutlich machen.

Kraftstoff, Bio-Plastik, Heizen: alles aus Kaffeesatz

Beispiel 1: Wenn Kaffee nicht nur die Seele, sondern das Eigenheim wärmt

Kaffee ist ein weltweit populäres Getränk und allein im Jahr 2017 wurden täglich ungefähr 2,25 Milliarden Tassen weltweit davon getrunken. Kaffee ist aber nicht nur der Treibstoff für unsere moderne Leistungsgesellschaft, sondern kann auch als wertvoller Rohstoff für die Wärmegewinnung oder als Kraftstoff fungieren. Dieses Potential hat die britische Firma bio-bean erkannt. Sie sammelt den übrig gebliebenen Kaffeesatz von großen internationalen Kaffeeketten bis hin zur Kaffeesatzresten aus der vertrauten Bürokaffeemaschine. Aber auch Restaurants, Cafés und auch Instantcoffee-Produzenten gehören zu den Lieferanten der Firma. Denn in England wird Müll, der auf einer Deponie verrottet, besteuert. Darum fand die Idee der Gründer Arthur Kay und Benjamin Harriman schnell Anklang.

Nach der Sammlung wird der Kaffeesatz dekontaminiert und getrocknet. Dies geschieht durch verschiedene Technologien, woraus dann je nach Verwendungszweck Bio-Öle oder Bio-Plastik hergestellt werden können. Auch Biokraftstoffe können hier gewonnen werden, verspricht das Unternehmen.

Außerdem entstehen aus dem getrockneten Kaffeesatz feste Kaffeebrickets, die sich ideal für das Beheizen von Öfen in Privathaushalten eignen. Für die industrielle Verwendung werden Kaffeesatzpellets kreiert, die eine alternative zu normalen Holzpellets bieten und laut Unternehmen 15 Prozent effizienter sind bei der Verbrennung bei hohen Temperaturen wie klassische Holzpellets.

Beispiel 2: Plastik: Aus alt mach neu und Kraftstoff?

Noch immer ist es schwierig alle Plastikarten zu recyceln. Es ist oftmals zu kompliziert, zu teuer und zu aufwendig. Deshalb wird Plastik in den meisten WtE-Anlagen verbrannt. Das britische Unternehmen Plastic Energy® will das ändern und setzt an diesem Punkt an. Es macht aus Plastikmüll wieder einen Rohstoff für neues Plastik. Ein Prinzip, das uns beim Altpapier schon vertraut ist.

Zunächst werden die Plastikabfälle mechanisch separiert. Anschließend gelangt der Rohstoff in einen sauerstoff-freien Behälter und wird unter hohe Temperaturen erhitzt. Durch die Hitze und den fehlenden Sauerstoff werden chemische Prozesse in Gang gesetzt. Jetzt kann der Rohstoff zu sogenanntem Tacoil® verarbeitet werden, dass einer Art Rohöl entspricht. Das entstehende synthetische Gas wiederum wird verwendet, um die Anlage zu betreiben. Aus dem gewonnenen Rohöl entsteht dann neues Plastik aus Plastikabfällen. Das Besondere an dieser Methode ist, dass die schwierig oder bis dato nicht recyclebaren Plastikarten nicht in die Umwelt gelangen, sondern in einem geschlossenen Kreislauf verbleiben und wiederverwendet werden.

Für die Umwelt wäre es sicherlich von Vorteil, wenn überhaupt kein herkömmliches Plastik mehr produziert werden würde, aber bis wir brauchbare und gleichwertige Alternativen kostengünstig und zu 100 Prozent nachhaltig für die Industrie produzieren können, sind solch neuen Ideen gefragt.

Fazit

Waste-to-energy ist ein vielfältiges Feld und scheint voller innovativer Ideen zu stecken. Von den jahrzehntelang erprobten WtE-Anlagen bis hin zu neuen Wegen für Recycling bieten diese Ansätze eine vielfältige Übergangslösung, die uns hoffentlich näher an das Erreichen der Klimaziele und uns beim Umstieg hin zu einer ganzheitlich grünen und Zero-Waste-Gesellschaft helfen können. Am Ende ist es jedoch entscheidend, dass Müll massiv reduziert wird.