Kampf um den Strommix im Land des Lächelns

Die Energiewende in Japan nach Fukushima 
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Text: Kai Hafner, 05.06.2020

Japan ist das Land mit dem drittgrößten Stromverbrauch der Welt und mit der Geschichte eines größten anzunehmenden Unfalls (GAU)  im Kernreaktor von Fukushima. Die Katastrophe hat einen Wandel in der Energieversorgung gebracht. Doch leider setzen die Japaner dabei verstärkt auf fossile Energieträger statt auf alternative Energien. Japans Ziele für Erneuerbare liegen unter dem weltweiten Durchschnitt. Wenngleich ihr Anteil in den vergangenen fünf Jahrenwuchs, ist das Land noch weit entfernt von seinen Zielen beim Strommix. Japan gilt als Land der Technik, doch warum kommt es bei den Erneuerbaren Energien nicht recht voran? 

Bis zur Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 deckte die Insel ihren Strombedarf zu einem Drittel aus Kernkraft. Faktisch wurdenAtomkraftwerke an 17 Standorten betrieben. Mittlerweile sind alle, bis auf zwei Anlagen, abgeschaltet. Doch Stromimporte aus Nachbarländern, wie das etwa in Europa möglich ist, waren für den Inselstaat Japan nicht möglich. Nach der Katastrophe setzte das Landdaher vermehrt auf fossile Brennstoffen Kohle und Gas, um das entstandene Energiedefizit aufzufangen. 

Doch auch bei den alternativen Energien machte das Land nach der Fukushima-Katastrophe Fortschritte, die im Verhältnis jedoch klein aussehen und Kritikern nicht weit genug gehen. Während 2013 ein Anteil von zehn Prozent am Gesamtmix der erzeugten Elektrizität aus Erneuerbaren Energiequellen kam, waren es 2018 16,9 Prozent. Wobei die Wasserkraft in Japan schon immer einen gewissen Anteil (7,7 Prozent) hatte, der auch weitgehend gleichgeblieben ist. Der Anteil von Elektrizität, die durch Solarenergie gewonnen wird, liegt dabei mittlerweile bei 6 Prozent zeigen Daten der Total EnergyStatistics.    

Ein Energieplan auf drei Säulen 

Um diese Entwicklung verstehen zu können muss man einen Blick auf die japanische Klimapolitk werfen. Entscheidender Faktor dieser ist Sicherheit – ökonomische, ökologische und Energiesicherheit, schreibt Hannes Bublitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektkoordinator im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Tokio. 

Das alles zeigt sich konkret im Energieplan der japanischen Regierung. In diesem sollen nicht nur 26 Prozent des erzeugten Stroms im Jahr 2030 aus der Kohleverbrennung stammen, auch die Atomkraft soll mit 22 Prozent wieder deutlich hochgefahren werden und ihre alte Rolle als „Grundlast-Energie“ einnehmen. Die erneuerbaren Energien sind mit einem Anteil von 24 Prozent eingeplant. Das heißt konkret: 56 Prozent des Stroms müssen über fossile Energieträger abgedeckt werden.   

Der Energieplan Japans besteht aus drei Säulen. So soll erstens die Energiesicherheit mit einer Selbstversorgungsrate von 25 Prozent erreicht werden. Zweitens sollen finanzielle Ressourcen möglichst effizient in den Ausbau des Energienetzes investiert werden. Beide Schritte führen zu der viel kritisierten, intensiveren Nutzung von Kohle- sowie Atomkraft, den beiden kostengünstigsten Energieträgern auf dem japanischen Markt. Drittens sollen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren, sowohl erneuerbare als auch Atomenergie genutzt werden. Mit Hilfe von technischen Innovationen sollen der Einsatz von Gas- und Kohleenergie umweltschonender gestaltet werden, so die Bekundungen der Regierung. Der von Japans Präsident Shinzō Abe bereits angekündigte Ausbau von Kohlekraftwerken erfolge aus Kosten-Nutzen-Kalkül, schreibt Bublitz von der KAS weiter. 

Große Städte benötigen viel Energie. Den Strommix in Japan dominiert noch immer fossile Energie.

Fossile Energien dominieren im Strommix 

Wenn man sich den Energiemix Japans aus 2018 betrachtet wird schnell klar: Japan hat, was erneuerbare Energien angeht, noch einen weiten Weg vor sich. 76,3 Prozent des Stroms stammte 2018 aus Kohle, Gas und Öl. Dem gegenüber stehen 16,9 Prozent aus alternativen Energien und 6,2 Prozent aus der Kernenergie. Für die Einhaltung der Klimaziele von Paris verheißt das nichts Gutes. Japan steht öffentlich in der Kritik. Denn eigentlich wollte Japan bis 2050 den Ausstoß von Kohlendioxid um 80 Prozent senken. Eine Studie des Research Institute Climate Analytics in Kooperation mit dem JapaneseRenewableEnergy Institute sieht das Erreichen dieser Ziele kritisch. Nur mit einem maßgeblich höheren Stromanteil aus erneuerbaren Energien sind die Ausstoßziele realistisch einzuhalten, so der Grundtenor der Studie.Selbst die japanische Regierung räumt mittlerweile ein, dass es schwierig werden wird, die Emissionsziele einzuhalten.   

Das erscheint kaum nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass laut dem Klima-Risiko-Index von Germanwatch das Land selbst heftig vom Klimawandel und Extremwetterereignissen betroffen ist, die sich in der Summe auf Schäden von knapp 36 Milliarden beliefen. Zudem steht das Handeln der Regierung im Widerspruch zu den Forderungen des UN-Generalsekretärs, des IPCC und zahlreichen Klimaforschern, die eine schnellen Ausstieg aus der kohlebasierten Energieproduktion fordern. 

Streit um Leistungsfähigkeit des Stromnetzes 

Wenngleich die Gründe für die Bevorzugung von Atomkraft bzw. Kohlekraft wie so oft machtpolitischer und monetärer Natur sind, muss man auch die Besonderheiten des japanischen Stromnetzes beachten.   

Bedenken über die Netzstabilität bremsen den Ausbau von Wind und Solar. Der Umstiegauf Erneuerbare Energien in Japan stellt vor allem zwei Herausforderungen: Zum einen erschweren unterschiedliche Netzfrequenzen im östlichen– 50 Hertz – und im westlichen Teil des Inselstaates – 60 Hertz – das Zusammenschalten der beiden Netzteile.Das ist auch insofern relevant, als dass sich Windkraftwerke heute vornehmlich im Osten und Solarkraftwerke vor allem im Westen befinden. Zum anderen ist das japanische Stromnetz nicht mit Netzen in anderen Ländern verbunden: Ein Ausgleich des Strombedarfs durch Im- und Exporte wie bereits eingangs beschrieben ist daher nicht möglich. Die Netzstabilität muss stattdessen innerhalb eines geschlossenen Stromsystems organisiert werden.  

 Studie sorgt für Lichtblick   

Eine aktuelle Netzstudie von Agora Energiewende in Zusammenarbeit mit dem japanischen RenewableEnergy Institute (REI)zeigt aber: Es gibt technische Lösungen, um den Herausforderungen, vor denen Japan bei der Energiewende steht, zu begegnen. (siehe Kasten)   

„Aus Perspektive des Netzes spricht nichts gegen einen stärkeren Ausbau Erneuerbarer Energien in Japa.“, empfiehlt Dimitri Pescia, Projektleiter bei Agora Energiewende. Das Land sei innerhalb kürzester Zeit zum dynamischsten Photovoltaik-Markt nach China herangewachsen. Diese Entwicklung sollte man nicht durch verhaltene Energiewende-Ziele ausbremsen. „Die japanische Regierung sollte daher ihre Ausbaustrategie überdenken“, so Pescia.   

Somit wird klar: Erneuerbare Energien könnten wesentlich mehr Strom in Japan liefern als die japanische Regierung in ihren Zielen bislang plant. Ihr Anteil an der Stromerzeugung könnte bis 2030 auf mindestens 40 Prozent steigen. Wenn das gelänge, dann wäre das allenthalben ein Erfolg.

Netz auf Herz und Nieren geprüft 

In der Studie betrachteten die Experten die Stabilität des japanischen Stromnetzes und nutzten dazu zwei SzenarienEinmal wurde das Ziel der japanischen Regierung (installierte Kapazitäten von 64 GSolar- und 10 GWindkraftleistung) angenommen. Im zweiten Szenario wurden Leistung von 100 GW Photovoltaik und 36 GW Windkraft unterstellt. Nun wurde der plötzliche Ausfall von 1,5 GEinspeiseleistung simuliert, was in etwa der Leistung zweier Kohlekraftwerke entspreche. In beiden Szenarien blieb das Netz stabil: Reserven konventioneller Kraftwerke ergänzt um Systemdienstleitungen von Windturbinen und Solaranlagen konnten den Ausfall kompensieren, heißt es in einer Mitteilung zu Studie.