Land der grünen Hoffnung
Costa Rica gilt als eines der fortschrittlichsten Länder Lateinamerikas. Bereits 1948 wurde beispielsweise die Armee zugunsten der Förderung von Bildungs- und Gesundheitsprogrammen abgeschafft. Auch bei der Energiewende ist Costa Rica weltweit unter den Top 5. Bis 2021 will das Land klimaneutral werden. Was für uns womöglich utopisch klingt, hat Costa Rica schon fast geschafft. Grund genug, genauer hinzusehen. Vielleicht können wir noch etwas lernen.
Costa Rica ist ein wahres Naturparadies. Mit seiner einzigartigen Artenvielfalt und Biodiversität gehört der kleine zentralamerikanische Staat zu den Megadiversitätsländern. 500.000 Arten wurden bisher in Costa Rica nachgewiesen, das entspricht 4% aller weltweit angenommenen Arten. Und das auf einer Fläche von nur 51.100 km² (Deutschland hat um die 357.000 km2). Dass die Natur das wichtigste Gut des Landes ist, erkannte die Regierung bereits in den 1980ern. Doch auch hier nicht, bevor es fast zu spät war.
Costa Rica war zunächst den wirtschaftlichen Verheißungen der Fleischindustrie gefolgt und holzte großflächig Regenwälder für die Rinderzucht und Landwirtschaft ab. Zwischen 1950 und 1987 schrumpfte die bewaldete Fläche des Landes von 72 auf gerade noch 21 Prozent. Zum Teil wurden jährlich 32.000 Hektar Regenwald abgeholzt, was weltweiten Höchstraten entsprach. Doch dann siegte die Einsicht, dass der zunehmend nachgefragte Naturtourismus langfristig profitabler sein würde. Seither wird alles daran gesetzt, die Natur Costa Ricas zu schützen.
Der Wandel gelang einerseits durch die erfolgreiche Entwicklung eines nationalen Systems von Schutzgebieten und die Verabschiedung einer umfassenden Gesetzgebung zum Schutz der Wälder Costa Ricas. Aber auch innovative Anreizstrukturen waren wichtig, wie etwa die Einrichtung des nationalen Programms zur Zahlung von Umweltleistungen (Payments for Environmental Services – PSA), das Landbesitzern direkte finanzielle Anreize bietet, Wälder zu erhalten, anstatt sie in landwirtschaftliche Flächen umzuwandeln.
So sind inzwischen wieder über 50 Prozent Costa Ricas bewaldet, über 25% des Landes sind Naturschutzgebiet, Ökotourismus wird gezielt gefördert und Einwegplastik ist verboten.
Politik mit grünem Ehrgeiz
Ein wichtiger Meilenstein der staatlichen Umweltpolitik war zuletzt die „Initiative Frieden mit der Natur“ des Präsidenten Oscar Arias. Bereits im Dezember 2007 wurde das entsprechende Gesetz verabschiedet, um die ambitionierte Agenda umzusetzen, die Costa Rica bis zum Jahr 2021 zum ersten Staat der Erde machen soll, der eine ausgeglichene CO2-Bilanz erreicht.
Auch der seit 2018 amtierende Präsident Carlos Alvarado Quesada hält an diesem Ziel fest. Im Februar 2019 kündigte er an: „Die Entkarbonisierung ist die große Aufgabe unserer Generation, und Costa Rica muss eines der ersten Länder der Welt sein, das diese Aufgabe erfüllt, wenn nicht sogar das erste“.
Die Erfolgschancen dafür stehen gut, denn der Energiesektor, der in vielen Ländern ein Hauptverursacher von CO2-Emissionen ist, ist in Costa Rica bereits weitestgehend auf Erneuerbare umgestellt. Das Land nutzt unter anderem seine Flüsse und zahlreichen Wasserfälle zur Stromerzeugung und deckte 2019 damit bereits 78,26% seines Energiebedarfs. Weiter Quellen waren Windenergie (10,29%), Geothermie (10.23%) und Sonnenenergie (0.84&%). Das ergab unterm Strich satte 99,62% Abdeckung durch Erneuerbare. Ende 2020 will das Land durch weiteren Ausbau von Solar-, Wind- und Geothermiekraftwerken auch die restlichen 0,38% schaffen.
Elektromobilität wird gefördert
Mit 54% ist der Transportsektor Hauptverursacher von Treibhausgasemissionen in Costa Rica. Deshalb konzentriert Quesada seine Bemühungen auf diesen Sektor. Elektroautos werden stark beworben und für die Hauptstadt San José ist der Bau eines elektrischen, schienenbasierten öffentlichen Verkehrssystem vorgesehen. Ein wichtiger Schritt, da mehr als ein Drittel aller Costa-Ricaner in der Hauptstadt lebt. Vor allem in den Städten gibt es noch einiges zu tun auf dem Weg zur Nettonull. Neben der Elektromobilität gilt es beispielsweise auch, die Busnetze auf Vordermann zu bringen sowie die Infrastrukturen für Radfahrer auszubauen. Mit entsprechenden Gesetzen seitens der Regierung sowie engagierten Bürgerinitiativen ist Costa Rica aber auf dem besten Weg, auch diese Herausforderungen zu meistern.
Bei seinem Staatsbesuch 2011 bezeichnete der ehemalige deutsche Bundespräsident Christian Wulff Costa Rica als „ökologisches Vorbild“. Doch nicht nur Deutschland, sondern die Welt schaut gespannt auf das Vorzeigeland in Sachen Umwelt- und Klimaschutz. Es ist zwar nur klein, das grüne Wunder zwischen Pazifik und Karibik, doch es macht allen große Hoffnung, dass die Energiewende gelingen kann — wenn der politische Wille da ist.