Denkmalschutz und Klima unter einem Dach

Historische Gebäude bekommen mit Solardachziegeln ein Energie-Update
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Text: Erik Klügling, 19.07.2024

Historische Gebäude und Klimaschutz – mitunter eine schwierige Beziehung. Solardachziegel im historischen Look liefern grüne Energie, ohne allzu sehr in die Optik des denkmalgeschützten Gebäudes einzugreifen.

In der mittelalterlichen Altstadt in Wasserburg am Inn mangelt es kaum an denkmalgeschützten Gebäuden. Für die Energiewende baut die bayerische Stadt nahe der österreichischen Landesgrenze ihre Photovoltaik aus, auch in der Altstadt. Ein eigens entwickeltes PV-Ampelsystem macht dabei deutlich, wo der Zubau im Einklang mit dem Denkmalschutz möglich ist. Eine simple wie praktische Idee, die nicht nur in der Region großen Anklang findet.

In Deutschland gibt es knapp 600.000 denkmalgeschützte Gebäude, viele davon sind weit über 100 Jahre alt. Doch so anmutig die Architektur auch ist, ist sie der Bauwende ein Klotz am Bein. Trotz der Bewahrung eines historischen Erscheinungsbildes brauchen viele Gebäude eine Klima-Modernisierung. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach passt optisch aber nicht ins Bild. Strenge Vorschriften werfen noch mehr Sand ins Getriebe: Neben dem Denkmalschutzgesetz (DSchG) der Bundesländer gibt das Baugesetzbuch (BauGB) den Ton an. Dazu kommen noch europäische Verordnungen, ganz zu schweigen von den örtlichen Kriterien und Vorgaben. 2023 gab es mit der Novellierung des Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) eine Kehrtwende in Sachen Photovoltaik. Dennoch bleibt das Thema ein schwieriges Pflaster.

Zeit für neue Ansätze

Doch wie wäre es, wenn die PV-Anlage aussieht wie das Dach selbst? Unternehmen in Italien, den USA und Deutschland basteln an der Lösung: Solardachziegel. Eine optische Alternative zur konventionellen Photovoltaik-Anlage. In ganz Italien gibt es zahlreiche historische Häuser mit ikonischen Terrakottaziegeldächern. Mit „Invisible Solar“ kreierte das italienische Familienunternehmen Dyaqua eine geschickte optische Täuschung. Ihre Dachziegel mit Terrakotta-Look bestehen aus einer lichtdurchlässigen Polymermasse, die auf Solarpanels aufgetragen wird. „Die Ziegel können auch wie Stein, Holz oder Beton aussehen,“ so das Unternehmen. „Daher sind unsere Ziegel nicht nur für Dächer, sondern auch für Wände und Böden geeignet.“ Das Problem mit den denkmalgeschützten Gebäuden in Deutschland werden sie aber nicht lösen, denn sie werden momentan nur auf Nachfrage in mühsamer Handarbeit gefertigt.

Elon Musk & der Dachschaden

Tesla wollte 2016 mal wieder einen Meilenstein setzen. Abseits der ikonischen Elektro-Autos präsentierte das Unternehmen PV-Anlagen und Speicherlösungen für Solarenergie. Dafür kaufte Tesla den Konkurrenten Solarcity auf – für schlappe 2,6 Mrd. Dollar – und damit auch das letzte Puzzleteil im solaren Tesla-Ökosystem: Das Solar Roof. Die flachen, dunklen Dachplatten bringen mit ihren integrierten Solarzellen rund 72 Watt Leistung pro „Ziegel“ auf. Ein 50m² Solardach sollte also für einen mehrköpfigen Privathaushalt bereits ausreichen – so das Versprechen. Doch das konnte Musk bisher nicht einlösen: Um den vor Jahren angekündigten und mehrfach verschobenen Verkaufsstart in Deutschland ist es still geworden. Auch in den USA gibt es Lieferprobleme und Stornierungswellen, die gerade Teslas gesamtes Solarsegment ins Wanken bringen. Wird Tesla ausnahmsweise von der Konkurrenz überholt? Ausgerechnet ein Ingenieur aus dem Rheinland will den globalen Riesen ins Straucheln bringen.

Blick auf Haus mit Solar Roof bei DunkelheitTesla

Energie und Wärme nutzen

In Deutschland bieten bereits mehrere Unternehmen Solarziegel an, etwa Autarq oder Nelskamp. Die kommen teils auch in historischem Look daher, speziell entwickelt für Denkmalschutzgebäude. Und dann gibt es noch die Idee von Peter Harkenberg und seinem rheinländischen Unternehmen paXos.

Installation von Solarziegeln auf DachMeyer Burger

Seine Solardachpfanne kommt nicht nur auf vergleichbare Ertragswerte einer konventionellen PV-Anlage. Sie löst auch ein altbekanntes Problem der Solaranlagen: Mit der Hitze der Sonne sinkt der Wirkungsgrad. Das Luftkühlungssystem der Solardachpfanne kühlt die Module. Noch besser, wird die aufgeheizte Luft an eine Wärmepumpe weitergeleitet. „So können wir alles aus dem Dach herausholen, was da einstrahlt und nichts vergeuden“, sagt Peter Harkenberg in einem TV-Beitrag. In Kooperation mit der technischen Hochschule Köln wurden die Prototypen der Hybrid-Dachpfanne jahrelang auf Kabel und Schrauben getestet – bis sich das Schweizer Solarunternehmen Meyer Burger die Verkaufsrechte sicherte. Noch 2024 sollen die Premium Solar-Dachziegel auf den Markt kommen.

Modernes bewahrt Historisches

Die Richtung scheint klar: Mehr Klimaschutz trotz Kulturerhalt. Denn die Zeiten ändern sich, auch im Denkmalschutz. Solardachziegel sind eine innovative Alternative, um grüne Energie zu erzeugen und dem Denkmalschutz trotzdem gerecht zu werden. Doch nicht nur für historische Gebäude sind Solardachziegel eine sinnvolle, wenn auch (noch zu) kostspielige Klima-Sanierung. Für den Privatgebrauch zahlen sich Solarziegel vor allem bei Neubauten mit unbekleidetem Dach aus. Denn die Kosten für den Austausch der Ziegel wirkt sich zu sehr auf die Amortisation aus, konventionelle Anlagen sind aktuell noch günstiger. Doch mit Blick auf die Leistung können sich die Solardachziegel sehen lassen – wenn man genau hinschaut.