Der Gipfel der Nachhaltigkeit –

woher kommt die Energie für den Betrieb von Berghütten?
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Text: Birgit Scheuch, 04.07.2024

Schutzhütten im Hochgebirge liegen fernab von jeglichen Strom- oder Gasnetzen. Wie versorgen sie ihre steigende Zahl von Übernachtungsgästen? Manche:r Flachlandtiroler:in stellt sich jetzt vielleicht vor, dass die Semmelknödel auf dem Holzofen gekocht und bei Kerzenschein verspeist werden. Doch weit gefehlt: Die für den Hüttenbetrieb verantwortlichen Alpenvereine sind verblüffend innovativ.

Victoria Habersack und Florian Todt bewirtschaften seit 5. Dezember 2023 die Sonnschienhütte auf 1.523 Meter Höhe. Sie ist Österreichs erste Alpenvereinshütte mit einer Wasserstoffanlage zur komplett CO2-freien Stromerzeugung. Was von dem tagsüber durch Photovoltaik gewonnenen Strom weder verbraucht wird, noch in den Batteriespeicher passt, wird per Elektrolyse zu grünem Wasserstoff umgewandelt. Bei Bedarf erzeugt eine Brennstoffzelle daraus wieder Strom zur Einspeisung ins Hausnetz.

Personen auf Treppe vor HuetteArchiv Alpenverein Austria

Victoria Habersack und Florian Todt vor der thermisch und energetisch sanierten Sonnschienhütte und die Sonnschienhütte auf 1.523 Meter Höhe.

Heinz Toperczer

Die neuen Pächter:innen waren von der thermisch und energetisch frisch sanierten Hütte direkt beeindruckt. „Wir sind beide jung und lassen uns von fortschrittlichen Technologien begeistern“, sagen sie. Der Klima- und Umweltschutz in den Bergen liegt ihnen ohnehin am Herzen. Auf der Sonnschienhütte haben sie nun beste Chancen, ihre Gäste „fossilfrei“ zu versorgen. Den Simulationsberechnungen zufolge wird auch der rapsölbetriebene Backup-Generator nicht benötigt werden, zur Freude von Dr. Richard Goldeband.

Goldeband war als Vorstand des Alpenvereins Austria und technischer Hüttenreferent für den Umbau der Sonnschienhütte verantwortlich. Er fragte sich, wie sich die Überschussenergie von PV-Anlagen besser nutzen ließe. Mit einer Anlage zur Erzeugung, Speicherung und Wiederverstromung von Wasserstoff! „Ich konnte auch den Fachplaner für diese Idee gewinnen“, erzählt er, „ein Konzept wurde ausgearbeitet. Und wir fanden eine Firma, für die das Projekt attraktiv war und die uns alle Komponenten der Anlage liefern und installieren konnte.“

  • Wasserstoffanlage/Brennstoffzelle der Sonnschienhütte

  • Wasserstoffspeicher der Sonnschienhütte

  • Wasserstofflager der Sonnschienhütte

Eine Wasserstoffanlage mit genügend großem Wasserstoffspeicher passt für Dr. Richard Goldeband perfekt in die Nachhaltigkeitsstrategie des Alpenvereins. „Sie ist ein wesentlicher Schritt zur weiteren Ökologisierung der Energieversorgung von Schutzhütten. Wenn sich die Wasserstoffanlage der Sonnschienhütte im Betrieb bewährt, wovon ich überzeugt bin, kann das Konzept überall dort umgesetzt werden, wo eine Sanierung oder Erneuerung der Stromerzeugung einer Schutzhütte ansteht.“

Portrait eines Herren mit grauen Haaren und Sonnenbrille

„Sie ist ein wesentlicher Schritt zur weiteren Ökologisierung der Energieversorgung von Schutzhütten. Wenn sich die Wasserstoffanlage der Sonnschienhütte im Betrieb bewährt, wovon ich überzeugt bin, kann das Konzept überall dort umgesetzt werden, wo eine Sanierung oder Erneuerung der Stromerzeugung einer Schutzhütte ansteht.“

Dr. Richard Goldeband, Vorstand des Alpenvereins

Insel auf 3000 Metern

Die deutschen, österreichischen, Schweizer, französischen, slowenischen, italienischen und spanischen Alpenvereine betreiben unterschiedlichste Hütten, vom Unterschlupf in Extremlage bis zum alpinen Gasthaus in einem vielbesuchten Gebiet. Solaranlagen sind dort längst Standard. Logisch, denn anders als bei Diesel, Rapsöl oder Flüssiggas muss hier nichts fernab von Straßen transportiert und auf begrenztem Raum gelagert werden.

Die schlichteren Unterkünfte sind recht einfach autark zu bekommen: Ihre Solaranlagen funktionieren oft auf Campingniveau mit 24 Volt Gleichstrom, hauptsächlich für die Beleuchtung. In den großen, ganzjährig bewirtschafteten Häusern jedoch werden täglich hunderte Gäste bekocht, Getränke gekühlt und die Aufenthaltsräume geheizt. Für die ebenfalls autarke Wasserversorgung – Regen- oder Schmelzwasseraufbereitung, Kläranlage und Pumpen – wird Strom benötigt. Meist erzeugt, wo notwendig, bei geringer oder fehlender Sonneneinstrahlung ein diesel- oder rapsölbetriebener Generator die fehlende Energie. Auch Batteriespeicher sind gang und gebe, lange Jahre waren es jedoch Bleisäure-Batterien zur kurzzeitigen Überbrückung, deren Leistung in der Kälte sehr schnell nachließ.

Photovoltaik steigt auf

Mittlerweile gewinnt die Photovoltaik als alleiniger Energielieferant für große Berghütten an Bedeutung. Schon allein, weil sich mit ihr der Transport von tonnenweise Rapsöl oder Diesel, nicht selten per Helikopter, für Generatoren oder Blockheizkraftwerke erübrigt. Aber auch, weil die Installation und Wartung nur einer Technologie einfacher ist.

Mit der Verfügbarkeit von langlebigen Lithium-Ionen-Speichern und zunehmend leistungsfähigeren Solarzellen kommt inzwischen statt der bisher oft genutzten Solarthermie-Kollektoren Solarstrom auch für warmes Wasser und Heizung infrage. Hinzu kommt, dass der Wirkungsgrad von Photovoltaik in den Bergen sehr hoch ist: Solarzellen arbeiten bei kühlen Temperaturen besonders gut und die Zahl der Sonnenstunden ist über der Nebelgrenze naturgemäß höher als im Tal.

Blick von unten auf eine Huette auf dem BergAlpenverein Austria, H. Herzog, R. Goldeband, N. Ruprecht

SMA war schon an der Ausrüstung zahlreicher Berghütten mit Solarenergie beteiligt. „Das Herzstück ist dabei unser Sunny Island Batterie-Wechselrichter“, erklärt Gerd Fischer, technischer Berater Österreich für die SMA Solar Technology AG. „Er baut ein Wechselspannungsnetz auf, an das Verbraucher und Erzeuger direkt angeschlossen werden. Als Systemmanager lädt er die Batterien, drosselt, wenn sie voll sind, die SMA Photovoltaik-Wechselrichter der Solaranlage und startet bei Bedarf beispielsweise den Rapsölgenerator. Ein SMA Sunny Island System ist somit ideal für die sichere Inselstromversorgung netzferner Berghütten mit einem Leistungsbedarf bis etwa 200 Kilowatt.“

Alpenverein Austria, H. Herzog, R. Goldeband, N. Ruprecht

Ein technisches Meisterwerk ist die Seethalerhütte. Die höchstgelegene Hütte im Dachsteingebirge ist seit ihrem Umbau im Jahr 2020 energieautark, auch dank der SMA Solar Technology AG, deren Batterie-Wechselrichter dort das Netzmanagement übernehmen.

Sie wollen hoch hinaus

2021 hat sich der Deutsche Alpenverein (DAV) ein ambitioniertes Ziel gesetzt: „Bis 2030 sind wir klimaneutral.“ Und damit meint der weltgrößte Bergsportverein echte, eigens realisierte Klimaneutralität und erst an allerletzter Stelle die Kompensation von Emissionen zum Beispiel über Zertifikate oder eigene Projekte.

Ein Grund für diese Entschlossenheit liegt in der Sache selbst: In den Alpen steigt die Temperatur noch stärker als im weltweiten Durchschnitt. Wer sich in den Bergen aufhält, kommt an den Auswirkungen nicht vorbei. Und so erklärt es sich, dass bei der DAV-Hauptversammlung 2021 über 80 Prozent der anwesenden Mitglieder für ein Klimaschutzkonzept stimmten, das anderswo nicht durchgegangen wäre.

DAV, Jürgen Gassner

Die 325 Hütten des Deutschen Alpenvereins bieten Bergsportler:innen rund 20.000 Schlafplätze und 24.000 Gastraumplätze. Pro Jahr begrüßen die DAV-Hütten rund zwei Millionen Tagesgäste und zählen 890.000 Übernachtungen.

„Wir sind seit den 1980ern anerkannter Naturschutzverband in Bayern, inzwischen auch in ganz Deutschland und in Österreich.“, ergänzt Johanna Felber vom Klimaschutzteam der DAV-Bundesgeschäftsstelle. „Der Naturschutz ist schon lange integraler Teil unserer Vereinsarbeit, zum Beispiel in Form von Stellungnahmen zu Erschließungsverfahren im Alpenraum. Dass wir uns zum Klimaschutz auch positionieren, war daher nur konsequent.“

Grundlage für die Planung von sinnvollen Klimaschutzmaßnahmen bildet eine Emissionsbilanz und Hochrechnung.

Das zentrale Steuerungselement, um am Ende dieses Jahrzehnts (!) klimaneutral zu agieren, ist ein interner CO₂-Preis, von dem manche Partei nur träumen kann. Die DAV-Sektionen haben sich verpflichtet, pro Tonne verursachtem CO2 zunächst 90 Euro, ab 2025 dann 140 Euro in ein selbstverwaltetes Klimaschutzbudget einzuzahlen. Daraus finanzieren sie Klimaschutzmaßnahmen wie beispielsweise die energetische Sanierung ihrer Hütten. Saniert werden vorrangig große bewirtschaftete Hütten mit einem hohen Energiebedarf, erklärt Johanna Felber vom DAV. Und es sind stolze 20 bis 25 Hüttengroßprojekte, die der DAV pro Jahr umsetzt.

Zwischen Anspruch und Anliegen

Bergsport und -urlaub gewinnt immer mehr Anhänger:innen. So hat sich beispielsweise auf der Tölzer Hütte die durchschnittliche Gästezahl innerhalb von zehn Jahren verdoppelt und steigt weiter. Zugleich gibt es höhere Erwartungen an die bewirtschafteten Hütten: Früher war das Matratzenlager selbstverständlich. Heute gibt es ein Reservierungsportal, Einzel- oder Zweibettzimmer, vegane Optionen, WLAN, Duschen statt kaltes Wasser ins Gesicht.

Die Energiekonzepte bei der Modernisierung von Unterkünften tragen dem Rechnung. Die Photovoltaik-Anlage der Tölzer Hütte wurde im Sommer 2023 um sieben Module erweitert, sodass das Blockheizkraftwerk nur bei schlechtem Wetter benötigt wird. Gleiches gilt für die Coburger Hütte. Hier hat wurde die Photovoltaik-Leistung von 4,4 auf 16 kWp fast vervierfacht und ein leistungsfähiger Batteriespeicher des Kooperationspartners der SMA Solar Technology, Tesvolt, installiert.

Für den Deutschen Alpenverein ist es ein Balanceakt zwischen Umweltschutz und Komfortansprüchen. Gastfreundlichkeit ja, Anfahrt mit dem Auto nein. Modernisierung vor allem von bewirtschafteten Hüten, den Trend zur einfachen Unterkunft stärken. „Diese Fragen werden aktuell viel diskutiert im DAV.“, erklärt Johanna Felber und empfiehlt eine Podcast-Episode zum Thema.

Victoria Habersack und Florian Todt von der eingangs vorgestellten Sonnschienhütte haben einstweilen noch ein Auge auf die Anzeige ihrer Wasserstoffanlage: „Die Anlage benötigt natürlich noch Feinabstimmungen. Man sollte auch immer ein Auge auf die aktuellen Werte wie Batteriezustand, Wasserstoffspeicher, Fehlermeldungen wie auch das Wetter haben und vor allem verstehen, wie die Anlage funktioniert.“, erzählen sie – aber den Aufstieg bewältigen sie garantiert.