Die Meisterin des Antriebs

Ein Gespräch mit Klimatransformationsexpertin Prof. Dr.-Ing. Martina Hofmann
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KEA-BW / Ellen Wurster

Text: Birgit Scheuch, 06.10.2023

Der Werdegang von Professor Dr.-Ing. Martina Hofmann ist alles andere als geradlinig – oder doch? Früh interessierte sie sich für Naturschutz und erneuerbare Energien. Machte eine Konzernkarriere – und begleitet jetzt süddeutsche Kommunen bei der Klimatransformation.

Wir haben mit Martina Hofmann gesprochen, kurz bevor sie am 1. Juli 2023 die Leitung des neu geschaffenen Bereichs „Erneuerbare BW“ bei der Klimaschutz- und Energieagentur des Landes Baden-Württemberg (KEA-BW) übernahm.

Sie initiierte den Master-Studiengang „Ressourcenmanagement im Klimawandel“ an der Hochschule Aalen. Im Vorstand der Naturschutzorganisation NABU engagierte sie sich für die Überbrückung der Kluft zwischen Naturschutz und Technik. Und beim Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) hat sie als Ausschussvorsitzende die Themen „Frauen und Technik“ und Klimaschutz im Fokus. Martina Hofmann ist ein Energiebündel – und im wahrsten Sinne des Wortes erneuerbar.
Ihr Ziel ist klar, die Route justiert sie konsequent nach.

Die erste Hälfte ihres Berufslebens verbrachte Martina Hofmann bei Siemens, arbeitete an der Bostoner U-Bahn mit, gab in Shanghai Schulungen zu Antriebssystemen und Energieverteilung im Projekt Transrapid und war Lead Consultant mit dem Schwerpunkt Antriebe für Papiermaschinen.

Von der internationalen Konzernkarriere zur kommunalen Klimaberatung – was ist da passiert?

Gab es ein Erweckungserlebnis, welches diese persönliche Energiewende auslöste, Frau Hofmann?

„Nein, das ist eher andersrum. Ich will schon seit ich klein bin retten und schützen – damals war es die Natur. Ich fragte mich, womit kann ich am meisten erreichen? Was muss ich machen, damit ich möglichst viel dazu beitragen kann?“

So kam es, dass Martina Hofmann ein Studium der Elektrotechnik begann. „Damals war ich ein ganz großer Fan von Elektroautos. Die Verbrenner haben damals noch richtig gestunken und stark gerußt. Das war eine fürchterliche Umweltverschmutzung. Es hat mich aber auch motiviert. Als Elektrotechnikerin kann ich dazu beitragen, dass es bessere E-Autos gibt und dass man sie mit erneuerbaren Energien antreiben kann. Damals habe ich auch noch geglaubt, dass man dazu direkt Photovoltaik nutzen könnte. Ich hatte keine Ahnung von den Randbedingungen.“

Das Vertiefungsstudium „Elektrische Energietechnik- Regenerative Energien“ an der TU Darmstadt war einer der ersten Studiengänge zum Thema erneuerbare Energien in Deutschland. „Meine Studienarbeit schrieb ich über Windkraft, die Diplomarbeit zur Photovoltaik. Damals war die Lage aber anders. Am Ende meines Studiums gab es vereinzelt Windkraftanlagen, die nicht mehr als 30 Meter hoch waren. Photovoltaik war so teuer, das hat sich auch energetisch nicht rentiert.

„Damit bin ich zurück zu dem eigentlichen Sinn meines Lebens gekommen. Und die ganzen Erfahrungen aus der Industrie helfen mir dabei. Ich kann überall mitreden, weil ich diese konventionelle Industrie zehn Jahre lang erlebt habe. Das ist sehr viel wert.“

„Erstmal verstehen, wie die Welt funktioniert“

Für Martina Hofmann war es zu früh für einen Einstieg in das Feld der erneuerbaren Energien: „Das haben noch ganz wenige gemacht, da war man immer so ein bisschen Außenseiter.“ Also beschloss sie, die Industrie kennenzulernen: „Ich fand es wichtig, einen Überblick zu haben.“

Für die Tochter einer Eisenbahnerfamilie war Verkehrstechnik noch naheliegend, „das ist ja quasi Elektro-Mobilität. Dann bin ich aber richtig rein in Öl und Gas, habe Antriebe für Kompressorstationen an Gaspipelines ausgelegt und war im Minengeschäft, also Erzabbau. Ich bin sehr viel unterwegs gewesen, habe alles aufgesaugt und versucht zu verstehen, wie die Welt funktioniert.“

Später in der Stuttgarter Niederlassung von Siemens entdeckte Martina Hofmann das Thema Energieeffizienz für sich. Als ihr Vorschlag, eine eigene Abteilung für diese Aufgabe zu gründen, auf keinen Widerhall stieß, verließ sie das Unternehmen und übernahm die Stiftungsprofessur „Erneuerbare Energien“ am Studiengang der Elektrotechnik in Aalen.

„Damit bin ich zurück zu dem eigentlichen Sinn meines Lebens gekommen. Und die ganzen Erfahrungen aus der Industrie helfen mir dabei. Ich kann überall mitreden, weil ich diese konventionelle Industrie zehn Jahre lang erlebt habe. Das ist sehr viel wert.“

„Den größten Hebel bei der Klimatransformation haben die Kommunen“

Martina Hofmann erklärt: „Vor ein paar Jahren ist mir klar geworden, dass die Kommunen den größten Hebel haben bei der Klimatransformation. Wer eine Fläche hat, kann Energie erzeugen. Die Kommunen sind nach dem Gesetz die Herren der Fläche. Wer darüber bestimmt, hat in der Hand, wie schnell oder wie langsam die Energiewende umgesetzt wird – neben ein paar anderen Faktoren.“

„Flächen sind also die Basis der Energiewende – nur haben die Kommunen das Thema ein bisschen aus den Augen verloren, weil es zwischen vielen anderen Themen untergeht. Sie sind mit den Aufgaben der Daseinsvorsorge, wie Flüchtlingsunterkünfte, Kinderbetreuung oder Corona-Pandemie schon komplett ausgelastet. Und jetzt kommt noch der Klimawandel dazu – mit ganz neuen Themen, in denen sie sich zurechtfinden sollen. Die meisten Hauptamtlichen in der Kommune haben aber irgendwann mal Verwaltung studiert, da ist die Transformation des Energiesystems kein Teil der Ausbildung“, sagt Martina Hofmann.

Auf der einen Seite stehen überlastete Kommunen mit Veränderungspotenzial, auf der anderen Seite eine hochmotivierte Expertin, Netzwerkerin und Klimaschützerin, die sich in den letzten zehn Jahren in die Breite fokussiert hat: „Ich kenne mich mit allen erneuerbaren Energien und Klimaanpassung aus.“

Martina Hofmann kommt zu dem Schluss: „Lehre und Forschung, das ist toll. Aber jetzt sind einfach andere Dinge wichtig. Mit der Lehre habe ich nicht den Impact, den ich mir erhoffe und mit der Forschung erst recht nicht. Da sind die Umsetzungsraten zu niedrig.“

Also zieht sie nach zehn Jahren an der Hochschule wieder die Konsequenz und lässt sich von ihrer Professur beurlauben, „weil ich jetzt den Klimaschutz so massiv, wie ich nur irgendwie kann, vorantreiben will.“ Mit den Kommunen als Dreh- und Angelpunkt.

KEA-BW / Ellen Wurster

Klimaschutz und -anpassung global zu denken und lokal umzusetzen –
ist das der Hebel für eine erfolgreiche Klimawende?

Martina Hofmann: „Ja, absolut! Das muss von zwei Seiten kommen: In der Weltgemeinschaft müssen sich alle einig sein, Gelder bereitstellen, Gesetze verabschieden Das passiert auf der EU-Ebene schon sehr stark und geht in eine gute Richtung.“

„Und jetzt kommen wir zu meiner neuen Position in der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg. Ich bin nun in Baden-Württemberg dafür zuständig, die Energiewende massiv voranzutreiben“, sagt Martina Hofmann über ihre neue Aufgabe. Es wird vermutlich nicht die letzte Wende in ihrem Leben sein. Im neu geschaffenen Bereich „Erneuerbare BW“ werden Hofmann und ihr Team süddeutsche Kommunen bei der Klimatransformation begleiten, zwischen allen Beteiligten vermitteln sowie funktionierende Lösungen („Good Practices“) im Land bekanntmachen. „Ich versuche, den Verantwortlichen ein fachliches Zuhause zu bieten, und für die Kommunen bei allen Problemen mit der Transformation ansprechbar zu sein und weiterzuhelfen.“

„Alles ist möglich“

Sie sei immer schon eine Optimistin gewesen, antwortet Martina Hofmann auf die Frage, wie sie ihr hohes Motivationslevel hält, praktisch „unstoppable“ im Einsatz für die Klimawende: „Wir haben beispielsweise gesehen, wie in der Corona-Zeit plötzlich unser CO2-Ausstoß runtergegangen ist. Oder dass die Leute angefangen haben zu sparen, als die fossilen Rohstoffe nicht mehr in dem Maße verfügbar waren und teuer geworden sind. Das heißt, es ist alles möglich. Wir müssen nur schnell sein, bevor die Kipppunkte eintreten.“

„Und ich glaube, dass wir gut daran tun, unser Verhalten zu ändern. Ich denke, wir sind als Gesellschaft, zumindest in den Industrienationen, irgendwo falsch abgebogen. Wie wir mit Ressourcen umgehen, ist einfach nicht gut. Und es ist auch nicht so, dass es unser Leben besser machen würde. Es wird dadurch oft schlechter, weil wir uns angewöhnt haben, im Konsum unser Glück zu suchen. Aber wir werden es dort nicht finden.“