Schwimmende Kraftwerke

Floating-PV erfährt ungeahnten Auftrieb
5
7 Min.

Text: Birgit Scheuch, 10.11.2023

Was produziert sehr effizient Strom – auf bislang ungenutzten Flächen? Schwimmende Solaranlagen sind weltweit im Kommen und faszinieren mit ihrer ganz eigenen Ästhetik …

Floating-PV, im englischsprachigen Raum auch als Floatovoltaics bekannt, nennt sich die Produktion von Solarstrom mit auf Gewässern schwimmender Photovoltaik. In Asien erleben die schwimmenden Kraftwerke gerade einen Boom. „Das Potenzial ist gigantisch“, meint Karan Singh, Vertriebs- und Marketingleiter für Indien, Südostasien und Südkorea beim deutschen Experten für  Wechselrichter- und Energielösungen, SMA. „Ein Vorteil ist, dass dafür keine Landflächen benötigt werden. Im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken sind sie natürlich viel schneller einsetzbar, um den steigenden Energiebedarf zu decken.“

In Thailand hat SMA 2021 an einem solchen Projekt mitgewirkt: Auf einem gut vier Hektar großen Wasserbecken vor dem Produktionsgelände des Futtermittelproduzenten SPM erzeugen mehr als 6.000 schwimmende Sonnenkollektoren ein Fünftel der jährlich vom Werk benötigten Energie. Der zuvor seit Jahren ungenutzte Teich erfüllt nun wieder einen Zweck.

Karan Singh von SMA beschreibt einen weiteren Vorteil der schwimmenden Photovoltaik: „Das Wasser, auf dem sie schwimmen, kühlt die Module, wodurch diese besonders effektiv Strom erzeugen. Die temperaturausgleichende Wirkung des Gewässers erhöht ihre Lebensdauer, weil weniger Hitze, Kälte und Wind auf sie einwirken.“ Tatsächlich beziffern verschiedene Studien den Stromertrag fünf bis 15 Prozent höher als an Land.

Künstliche Gewässer eignen sich besonders gut als Standort für schwimmende Photovoltaik-Anlagen. Diese oft in Industrienähe gelegenen Becken und Teiche entwickeln aufgrund ihrer Bauweise meist keine üppige Flora und Fauna und machen sich so nun auf andere Weise für das Klima nützlich. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesystem ISE attestiert der Floating-PV auf Kies- und Baggerseen ein beträchtliches Potenzial, bei einer Gesamtzahl von über 4400 künstlichen Gewässern allein in Deutschland.

Scotra Co. Ltd.
Die 41-MWp-Anlage des südkoreanischen Unternehmen Scotra auf dem Hapcheon-Stausee zeigt eindrucksvoll, mit welchen Dimensionen der Floating-PV künftig zu rechnen ist – und dass ihre Modularität zu künstlerischen Formen der Umsetzung inspiriert.
 

FLOATING FARM – DER ERSTE SCHWIMMENDE BAUERNHOF DER WELT

Die Solarmodule der niederländischen Floating Farm schwimmen im Hafen von Rotterdam. Eine Floating-PV-Anlage versorgt dort den ersten schwimmenden Bauernhof der Welt mit erneuerbarer Energie. Nachhaltigkeit steht auch sonst im Fokus der Floating Farm: mit der Nutzung von Regenwasser, der Aufbereitung von Kuhmist und dem regionalen Milchvertrieb.


Die schwimmenden Kühe von Rotterdam

Diese Floating-PV-Anlage in Form einer Milchflasche versorgt den benachbarten schwimmenden Kuhstall mit Strom. Den String-Wechselrichter hat SMA beigesteuert. Der Clou des Sunny Tripower CORE1 – das intelligente Kühlsystem OptiCoolTM sorgt für zuverlässigen Betrieb und maximale Energieerzeugung – auch unter anspruchsvollen Bedingungen.

EINE GANZ EIGENE ÄSTHETIK

Floating-PV-Anlagen bestehen aus miteinander verbundenen Schwimmkörpern, die am Seegrund oder am Ufer verankert sind. Diese tragen Solarmodule und in der Regel auch die dazugehörige Technik, die an das Stromnetz an Land angeschlossen ist.
Eine hohe Beständigkeit gegen UV-Strahlung, Nässe und Feuchtigkeit ist wesentlich bei der Konstruktion der Floating-PV-Komponenten. Material und Verankerung müssen auch heftigen Stürmen trotzen. Abgesehen davon ist gestalterisch viel möglich, wie unsere Beispiele aus allen Winkeln der Erde zeigen.

Floating-PV im Detail: Schwimmkörper mit Solartechnik, Foto: GreenYellow

Angesagtes Forschungsthema

Durch die hohe Relevanz „landneutraler“ Photovoltaik für die Energiewende ist Floating-PV ein angesagtes Forschungsthema – unter anderem stellt sich die Frage, wie eine Floating-PV-Anlage Photosynthese, Verdunstung und Sauerstoffgehalt des Wassers beeinflusst.

„Neben einer ausreichend großen Wasseroberfläche und gutem Zugang zu Sonnenlicht sind beim Bau einer Floating-PV-Anlage unbedingt auch Umweltaspekte, einschließlich der Tierwelt, der Hydrologie und des Wetters zu beachten.“ –
Karan Singh, Vertriebs- und Marketingleiter bei SMA India

Sembcorp Industries

Bei der schwimmenden Solaranlage Sembcorp Tengeh in Singapur wurde auf ausreichende Lücken zwischen den Solarmodulen geachtet, um den Luftstrom zu verbessern und ausreichend Sonnenlicht für das Wasserleben zu lassen. Zusätzliche Belüfter sollen den Sauerstoffgehalt im Reservoir aufrechterhalten.

Floating-PV als Schutzmaßnahme?

Wenn sich im Schatten der PV-Anlage Verdunstungsrate und Algenbildung verringern, kann das in heißen und trockenen Landstrichen, aber auch in bisher gemäßigten Regionen, ein Pluspunkt sein. Eine Studie aus Jordanien lässt bei optimalem Design mit 42 Prozent weniger Verdunstung einen deutlichen Effekt erkennen.

Standort mit Mehrwert

Der Gedanke, schwimmende Solaranlagen in der Nähe von Wasserkraftwerken und Offshore-Windkraftanlagen zu positionieren, liegt nahe. Entweder ist der Anschluss ans Stromnetz schon vorhanden oder die Anlagen können ihn sich teilen. Die Kraftwerke ergänzen sich, weil sie abhängig von Wetter und Tageszeit zu anderen Zeiten Strom produzieren. Auf dem Meer gelten noch einmal härtere Anforderungen an Konstruktion und Material, aber Stauseen im Binnenland bieten sich mit ihrer riesigen Wasseroberfläche als Standort für Floating-PV geradezu an. Die Türkei mit ihren vielen Wasserkraftwerken beispielsweise könnte mit Floating-PV auf nur zehn Prozent ihrer Stauseen einer Abschätzung zufolge rechnerisch 40 Prozent der zurzeit installierten Gesamtleistung des Landes erreichen. Kaum greifbare Dimensionen, die das Zukunftspotenzial der Technologie erahnen lassen …

In der Schweiz schwimmt eine Anlage auf alpinen 1810 Metern Höhe, die bei niedrigen Temperaturen und hoher Sonneneinstrahlung besonders effektiv Energie produziert.

Dass wir da noch nicht früher draufgekommen sind!

Floating-PV wird für die Energieerzeugung der Zukunft ziemlich sicher eine bedeutende Rolle spielen. Jetzt müssen nur noch politische Ziele, wirtschaftliche Interessen und Naturschutzbelange in ein vernünftiges Gleichgewicht gebracht werden – wie bei allen Innovationen mit Potenzial.