Öko-Looping in Disneyland

Immer mehr Freizeitparks werden nachhaltig
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Text: Anne Pohl, 10.06.2024

Moderne Freizeitparks stehen für industrialisierte Abenteuerlust, Eskapismus und sagenhafte Energieverbräuche. Nachhaltigkeit ist dort ein eher neues, aber mittlerweile ganz wichtiges Schlüsselthema.

Stellen Sie sich vor, Sie gleiten entspannt im Flugzeug über Florida, als Ihr Blick aus dem Fenster plötzlich von einem vertrauten Anblick gefangen wird: Dort unten, mitten in der grünen Landschaft Floridas, sehen Sie einen runden Kopf mit großen Ohren. Das ist doch … kein Geringerer als Mickey Mouse selbst, der Sie aus der Ferne begrüßt! Doch was auf den ersten Blick wie ein witziges Tribut an den berühmtesten Cartoon-Charakter der Welt erscheint, zeigt bei näherer Betrachtung ein zweites Gesicht: es ist eine gigantische Solaranlage.

Frühzeitig auf erneuerbare Energien gesetzt

Die Walt Disney Company ist nicht nur für ihre „Hidden Mickeys“ bekannt, also versteckte Darstellungen von Mickey Mouse in und an Attraktionen von Disney-Themenparks und -Produkten. Sie ist auch ein „Early Adopter“ in Sachen Photovoltaik: Schon seit den frühen 80er Jahren werden in den Freizeitparks des Unternehmens Solarpanels verbaut.

Dabei ist Nachhaltigkeit eigentlich nicht das Erste, das einem beim Gedanken an Freizeitparks in den Sinn kommt. Eher denkt man an spektakuläre Wasserrutschen und atemberaubende Achterbahnfahrten, die immens viel Energie verbrauchen, im Einweggeschirr serviertes Fast Food und einen Platzhunger, der auf Kosten der Natur geht.

Doch es gibt ein wachsendes Bewusstsein für die Knappheit von lebenswichtigen Ressourcen und die Notwendigkeit, diese sparsam zu nutzen. Und deshalb ist Nachhaltigkeit auch in der Freizeitindustrie zu einem Schlüsselthema geworden. Viele Themenparks setzen aktiv grüne Maßnahmen um, um ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und Energiekosten zu sparen.

Die vom Flugzeug aus gesichtete Photovoltaik-Installation in Form des Mickey-Mouse-Kopfes wurde 2016 im Walt Disney World Resort in Orlando, Florida, in Betrieb genommen. Sie besteht aus 48.000 Solar-Panels mit einer Leistung von 5 Megawatt. Das ist ganz nett, aber nichts im Vergleich zur 50 Megawatt-Anlage, die gerade in der Nähe auf fast 100 ha entsteht. Sie soll demnächst zwei der vier Disney-Themenparks in Florida komplett mit Strom versorgen und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen von umgerechnet etwa 10.000 Autos pro Jahr einsparen.

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Walt Disney World Resort

Für das derzeit ambitionierteste Solarprojekt des Unternehmens muss man allerdings über den großen Teich gucken. Disneyland Paris arbeitet mit Urbasolar an einer der größten Photovoltaik-Dachanlagen Europas, die eine Leistung von 30 Megawatt erreichen und jährlich rund 31 Gigawattstunden Strom produzieren soll. Insgesamt fast 68.000 Solarmodule sollen die 9000 Parkplätze überdachen und die Besucher und ihre Fahrzeuge vor Sonne, Schnee und Regen schützen. Ein besonderes Highlight ist die nur vom Himmel aus sichtbare, nachts leuchtende Mickey-Maus-Kontur, die durch einen Teil der Anlage geformt wird.

„In der DNA verankert“

Stiege man nach einem Besuch in Disneyland Paris am Pariser Gare de L’Est in den TGV „InOui“, würde man nach knapp drei Stunden Bahnfahrt mit dem Hochgeschwindigkeitszug direkt vor den Toren des Europa-Parks im badischen Rust landen. In Deutschlands größtem Freizeitpark, der seit Gründung im Jahr 1975 von der Betreiberfamilie Mack geführt wird, ist Nachhaltigkeit ebenfalls ein großes Thema. „Ökologie und Nachhaltigkeit sind für uns keine Modeerscheinung, sondern tief in der DNA unserer Familie verankert. Das haben schon meine Großeltern und Eltern praktiziert“, erklärt Europa-Park-Inhaber Roland Mack im Nachhaltigkeitsbericht des Unternehmens.

„Ökologie und Nachhaltigkeit sind für uns keine Modeerscheinung, sondern tief in der DNA unserer Familie verankert. Das haben schon meine Großeltern und Eltern praktiziert“

Roland Mack, Inhaber des Europa-Parks in Rust

„Konsequentes ökologisches Handeln zahlt sich langfristig auch wirtschaftlich aus.“ Derzeit investiert der Europa-Park zusammen mit dem Unternehmen Mosolf in eine über 20 Hektar große Photovoltaikanlage auf dem Gelände des Automobillogistikers. „Die Anlage soll 2024 in Betrieb gehen. Der Europa-Park nimmt einen erheblichen Teil der erzeugten Energie ab und kann sich langfristig weitgehend unabhängig von anderen Energiequellen vor allem in den Hochsaison-Sommermonaten autark mit regenerativem Strom versorgen”, erklärt Roland Mack in einer hauseigenen Pressemitteilung. Zudem engagiert sich der Park für den Schutz der Elzwiesen, die Förderung der Biodiversität und die Sanierung historischer Wiesenwässerungsanlagen. Wassersparende Technologien in Hotels und der Wasserwelt Rulantica, Recyclingmaßnahmen und der Einsatz von Elektrofahrzeugen tragen zur Ressourcenschonung bei. Der Europa-Park wurde als erster “grüner” Freizeitpark der Welt mit dem „Green Amusement Park“ Siegel vom TÜV SÜD zertifiziert.

Upcycling in Tripsdrill

Neben den genannten Freizeitparks der Superlative gibt es aber auch kleinere Parks, bei denen Nachhaltigkeit quasi zum Konzept gehört. Dass Ökonomie, Freizeitspaß und Ökologie keine Gegensätze sein müssen, weiß man auch im Hansa-Park. Der 1977 eröffnete Park in Sierksdorf an der Ostsee ist ein maritim geprägter Freizeitpark, der Attraktionen und Shows in verschiedene Themenbereiche integriert. Der Park erstreckt sich über etwa 460.000 Quadratmeter und bietet überdachte Flächen von rund 17.000 Quadratmetern. Seit seiner Eröffnung setzt sich der Park für Umwelt und Nachhaltigkeit ein. Zu den umgesetzten Maßnahmen gehören u.a. die Umrüstung auf LED-Energiesparlampen, eine separate Mülltrennungsanlage und Wertstoffrecycling, der Verzicht auf Pestizide, die Nutzung von Regenwasser für Bewässerung und Wasserattraktionen, der Einsatz von Elektrofahrzeugen für die Parklogistik, die Installation von elektrischen Händetrocknern, der Verzicht auf Plastikbesteck und die Bereitstellung von zehn Strom-Tankstellen für Elektrofahrzeuge. Dafür wurde der Park bereits vier Jahre in Folge von Deutschland Test mit dem Siegel „Deutschlands Beste – Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet und belegte 2023 den ersten Platz im Branchenranking der Themen- und Freizeitparks in Deutschland.

Der älteste Erlebnispark Deutschlands, Tripsdrill, gegründet 1929 und gelegen in Cleebronn mitten im Naturpark Stromberg-Heuchelberg, ist ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit als Konzept. Mit über 100 Attraktionen auf 77 Hektar zieht der Park jährlich über 825.000 Besucher an. Der Park beherbergt das Wildparadies Tripsdrill mit über 60 Tierarten und setzt seit 2010 auf Ökostrom im gesamten Park. Bei der Planung neuer Gebäude werden „nach Möglichkeit Originalmaterialien aus Abbruchhäusern aus der Umgebung, wie z. B. Sandstein, Eichenbalken und Biberschwanz-Dachziegel“ verwendet, erklärt Birger Meierjohann, der Pressesprecher von Tripsdrill.

„Das ‚Upcycling‘ alter Baumaterialien dient nicht nur der authentischen Gestaltung unserer Anlagen – es spart auch Ressourcen!“ Übernachten können die Gäste in 20 Schäferwagen und fast 50 Baumhäusern am Eingang des Wildparadieses Tripsdrill –  dort, wo sich neben Fuchs und Hase auch Luchse und Wölfe gute Nacht sagen. Darüber nachzudenken, dass weniger manchmal mehr ist, würde man auch den Betreibern der großen Themenparks wünschen. Denn der ökologischste Fußabdruck ist immer jener, der am wenigsten Spuren hinterlässt.

Eine Familie steigt die Treppe zu einem gezimmerten Baumhaus hinaufErlebnispark Tripsdrill GmbH & Co. KG
Kommt ganz ohne Strom aus: Der Hochseilgarten im Hansa-Park Sierksdorf