Solarenergie aus dem Weltall –

mit Lichtgeschwindigkeit in die Zukunft
8
4 Min.

Text: Birgit Scheuch, 19.04.2024

Was bisher geschah

Es wäre die Lösung für den steigenden Energiebedarf der Weltbevölkerung, wenn wir zu jeder Tages-, Nacht- und Jahreszeit Solarenergie aus dem wolkenlosen Weltall beziehen könnten. Das ingenieurtechnische Konzept dafür gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Seit einigen Jahren entwickeln Universitäten und staatliche Institutionen in aller Welt Lösungsansätze. Auch eine Projektgruppe der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) soll herausfinden, ob Weltraum-PV uns nützlich sein kann, wie sie umzusetzen ist; letztlich ihre kommerziellen Chancen und Risiken ermitteln. Leopold Summerer, Leiter des ESA-Teams gab uns dazu im Beitrag Solarenergie aus dem Weltall Auskunft. Schon Ende 2025 werden die europäischen Staaten aufgrund der so gewonnenen Erkenntnisse entscheiden, ob in ein umfassendes Entwicklungsprogramm investiert wird.

Am Abend des 22. Mai 2023 saßen vier Menschen auf einem Dach des California Institute of Technology und warteten, so beschreibt es das Caltech Magazine poetisch, auf ein Zeichen des Himmels.

Gegen 22 Uhr wandten sich die Anwesenden einem Monitor zu. Sieben Minuten betrug das Zeitfenster, in dem etwas geschehen müsste. Und tatsächlich, einige nervenaufreibende Augenblicke später erschien auf dem Bildschirm eine kleine Spitze – und verhielt sich noch dazu genau wie prognostiziert.

Damit stand der Beweis: Das Space-Based Solar Power Project der Universität, kurz: SPSP, hatte es geschafft, im Weltraum produzierte Sonnenergie dort oben von einem Solarmodul an einen auf die Erde gerichteten Sender zu übertragen – und sie hier unten zu registrieren.

Bewährungsprobe im Orbit

Ein Jahr zuvor hatte eine SpaceX-Rakete den Space Solar Power Demonstrator (SSPD-1) ins Weltall befördert. Es ist ein Prototyp des Systems, an dem das Caltech-Team seit über einem Jahrzehnt arbeitet.

Mit Photovoltaikzellen Solarstrom erzeugen, in Form von Mikrowellen-Energie ans Ziel senden und dort wieder in Strom wandeln – dieses Prinzip ist die Basis fast aller Weltraum-PV-Projekte. Das Hauptziel der Forschungsgruppe am California Institute of Technology ist eine kostengünstige Lösung. Ermöglichen sollen das ultraleichte Komponenten für drei Technologien:

Das Raumfahrzeug mit dem darauf befindlichen Kraftwerk besteht aus ultradünnen Verbundwerkstoffen und Polymerfolien, die sich vor Ort entfalten. Die Photovoltaik ist dank neuer Materialien, Strukturen und Herstellungsverfahren in Verhältnis zu ihrem Gewicht extrem leistungsfähig. Die dritte Schlüsseltechnologie, die auf dem Space Solar Power Demonstrator getestet wurde, ist eine Anordnung von ebenfalls sehr leichten Mikrowellensendern, deren Aufgabe es ist, die gewonnene Energie an einen Zielort zu strahlen.

Letztlich soll das System möglichst kompakt und leicht sein. Denn ein Knackpunkt am Szenario Weltraum-PV ist der Transport ins All und der damit verbundene Treibstoffverbrauch.

Ingenieur:innen setzen einen Teil des Space Solar Power Demonstrator auf das RaumfahrzeugCaltech
Ingenieur:innen setzen einen Teil des Space Solar Power Demonstrator vorsichtig auf das Raumfahrzeug.

Das Highlight des Abends

Wie die drei Komponenten des Caltech-Systems für sich und miteinander unter den rauen Bedingungen des Weltraums funktionieren – auf diese Fragen sollten die Prototypen im Weltraum Antworten liefern. Künftige Anlagen des Caltech-Typs müssten dort mit starken Temperaturschwankungen und permanenter Sonnenstrahlung klarkommen.

Ziemlich schnell war klar, dass die Solarzellen Strom produzierten und die Übertragung von Energie zwischen zwei Punkten im Weltraum funktionierte. „Wir hatten das natürlich hier unten getestet“, erklärt Professor Ali Hajimiri, der das SPSP-Projekt leitet, im Caltech Magazine. „Aber jetzt wissen wir, dass das System die Reise ins All überstehen und dort funktionieren kann.“

Schließlich ging es um die Ausrichtung der Energie auf die Erde. Für Ali Hajimiri das Highlight des Abends: „Unseres Wissens hat noch niemand die drahtlose Energieübertragung im Weltraum demonstriert, auch nicht mit teuren starren Strukturen. Wir machen das mit flexiblen Leichtbaustrukturen und mit unseren eigenen integrierten Schaltungen. Das ist ein Novum.“

Auf dem SPSP-Teststand im All werden die verschiedenen Funktionsbereiche des Caltech-Projekts – Leichtbau-Konstruktion, Solarzellen und drahtlose Übertragung überprüft.

Der Vision einen Schritt näher

In den Monaten nach der Rooftop-Party testeten die Forscher:innen an ihrem schwebenden Teststand unter anderem die Effizienz, Haltbarkeit und Funktion einer Sammlung von 32 verschiedenen Solarzellen. Fragten sich: Würde die Leichtbau-Konstruktion den harschen Bedingungen des Weltalls standhalten? Und tatsächlich, im Januar 2024 verkündete Caltech den erfolgreichen Abschluss der Testreihe.

Das SPSP-Team ist damit seiner Vision einen Schritt näher – sie stellen sich eine Flotte schwebender Kleinkraftwerke vor, die sich nach Bedarf zu einem „Schwarm“ zusammenschließen können. Dabei würde jedes Shuttle mit einer flexiblen, ultraleichten Membran ausgestattet, die sowohl Strom erzeugen als auch in Form von Mikrowellenenergie ans Ziel senden kann.

Und das wäre ein gewaltiger Entwicklungssprung. Solarenergie-Produktion im All findet ja schon jetzt statt, zur Versorgung von Satelliten und der internationalen Raumstation. Nur, effizient ist sie nicht. Solarzellen mit einer üblichen Leistung von rund 200 Watt im Weltraum an den Start zu bringen, kostet pro Quadratmeter 10.000 Dollar. Für ihr System peilen die Caltech-Forscher:innen in Bezug auf die Fläche eine zig-fach höhere Leistung an.

„Solarenergie aus dem All – ein super spannendes Thema, das wir beim SMA Innovation Management definitiv auf dem Schirm haben. Ob und wann die SMA Technologie tatsächlich zur Energieversorgung aus dem All beitragen wird, steht allerdings noch in den Sternen. Aber wer weiß? Beim derzeitigen Entwicklungstempo steht es auf jeden Fall auf unserer Longlist.“ – Carsten Gundlach, Senior Innovation Manager bei der SMA Solar Technology AG

ESA peilt den Mond an

Auch bei Solaris, dem Space-based Solar Power-Projekt der European Space Agency (ESA), geht es weiter. Eine Ausschreibung auf der hauseigenen Open-Innovation-Plattform OSIP brachte eine Reihe von Konzeptstudien zur Solarenergie aus dem Weltall , an denen nun offiziell weitergeforscht wird. Darunter Ansätze zum Umgang mit ausgedienter Technik und auch hier: billigere und leichtere Konstruktionsweisen und – Strom für den Mond. Hier geht es zwar nicht um die Versorgung der Erde mit Solarstrom, sondern um Energie für künftige bemannte Mondbasen. Die benötigten Ressourcen sollen jedoch hauptsächlich vom Mond selbst stammen und die Solarzellen sogar dort hergestellt werden. Wer also dachte, dass innerhalb eines Jahres nur die Künstliche Intelligenz unglaubliche Sprünge macht: Auch im Weltall geht es mit Lichtgeschwindigkeit voran.