Sonnenpower für Hunderttausende

Mini-Grid-Systeme elektrifizieren 300 Dörfer im Senegal
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Text: Erik Klügling, 10.02.2023

Im westafrikanischen Senegal ist Strom für viele Menschen immer noch Mangelware, vor allem in den ländlichen Regionen. Solarbetriebene Mini-Grid-Systeme sollen jetzt Licht in die nächtliche Dunkelheit der Dörfer bringen. Das Projekt ASER300 beschert hunderttausenden Einwohner auf dem Land dauerhaften Zugang zu elektrischer Energie – für Straßenbeleuchtung, Lebensmittelkühlung und ein besseres Gesundheitssystem.

„Anfangs trafen sich die Frauen, Kinder und Männer des Dorfes abends unter den neuen Straßenlaternen, um den Moment zu genießen, wenn das Licht angeht. Ihre Reaktionen sind unbeschreiblich, so viel geteilte Freude sieht man nicht oft“, sagt Sawdiatou Mbaye. Sie ist Koordinatorin und Kommunikations-Managerin bei ASER300. Das ambitionierte Infrastruktur-Projekt elektrifiziert 300 senegalesische Dörfer mit Solarenergie.

Asantys Systems GmbH
Sawdiatou Mbaye arbeitet für Asantys Systems GmbH (rechts unten)

Ein Projekt – 300 Dörfer

Die 300 Dörfer im ASER300 – benannt nach der zuständigen Behörde ASER (Agence Sénégalaise d’Electrification Rurale) – erhalten solarbetriebene Mini-Grid-Systemen, die unabhängig von einem öffentlichen Stromnetz funktionieren. Mit Projektabschluss im Jahr 2024 haben rund 200.000 Menschen zuverlässigen Zugang zu Strom. Über 3.600 neue LED-Straßenlichter beleuchten die Nacht. Wasserpumpen laufen elektronisch, Speisen werden rund um die Uhr gekühlt. Der Fokus liegt auf einer erneuerbaren und dezentralen Energieversorgung.

Die Auswirkungen sind unmittelbar positiv!

„Die Dörfer im Projekt ASER300 haben bislang alle kaum einen oder gar keinen gesicherten Zugang zu Strom. Für uns alltägliche Dinge wie abends das Licht einschalten oder mit einem Elektrogerät kochen waren dort bisher nicht möglich“, sagt Tim Malzfeld, Sales Manager bei der SMA Altenso GmbH, die das Projekt mit SMA Wechselrichtern-Lösungen für die Off-Grid-Systeme ausstattet. „Für mich ist das eines dieser Herzensprojekte, bei denen die Solarenergie unmittelbar einen positiven Einfluss auf den Lebensstandard der Menschen hat.“

Für die Off-Grid-Systeme entsteht ein eigenes Stromnetz, das sich sogar erweitern lässt, um perspektivisch noch mehr Menschen in den Regionen mit Strom zu versorgen. Entlegene Regionen fernab der Städte oder Inseln können durch solarbetriebene Mini-Grid-Systeme autark, dezentral und zuverlässig auf grünen Strom setzen – ein Energie-Modell, das nicht nur im ländlichen Senegal selbst bei extremen klimatischen Bedingungen hervorragend funktioniert.

Saubere Energie für „Afrikas Tor“

Der Senegal wird oft als „das Tor zu Afrika“ bezeichnet. Die Republik an der westlichen Spitze des Kontinents bildet einen Verkehrsnotenpunkt zwischen Afrika, Europa und Amerika. Seit 1960 eine unabhängige und stabile Demokratie, sticht das Land als eines der wachstumsstärksten auf dem Kontinent heraus. Um den wirtschaftlichen Wachstumskurs fortzusetzen, steckt der Senegal viel Geld in die Energie-Infrastruktur. Ziel: Bis 2025 das ganze Land elektrifizieren und allen 17 Millionen Einwohnern eine konstante Stromversorgung garantieren. Das städtische Stromnetz ist bereits gut ausgebaut, doch im ländlichen Raum hat nur jeder zweite Mensch eine zuverlässige Stromquelle – dabei lebt hier die Hälfte der Bevölkerung. Gleichzeitig basiert der momentane Energiemix auf Köhle, Öl und Gas. Zeit für ein Umdenken. Denn auch im Senegal zeigt sich der Klimawandel – stärker als in vielen anderen Ländern auf der Welt. Anhaltende Dürren und ausbleibende Regenzeiten stellen die Landwirtschaft vor stetig wachsende Herausforderungen. Auf der Suche nach einer besseren Zukunft wandern junge Menschen auf dem Land in Großstädte ab.

Elektrifizierung macht vieles möglich

Bessere Bildung, wirtschaftlicher Aufstieg, neue soziale Interaktionsmöglichkeiten, aber auch für uns ganz Selbstverständliches macht die Elektrifizierung möglich: „Licht nach Sonnenuntergang, Radio und Fernsehen, Ventilatoren, Mobilfunknetze, Kühlschrank, Wasserpumpen, Getreidemühlen – all das steht dauerhaft und zuverlässig zur Verfügung“, ergänzt Lutz Ekhoff, Projektdirektor ASER300 bei GAUFF Engineering. Er betreut schon seit den 1980er Jahren Infrastruktur-Projekte in Afrika. Von Zentralafrika führte sein Weg 2017 in den Senegal, seit September 2021 leitet er das ASER300 Projekt. GAUFF Engineering aus Nürnberg fungiert als Bauherrenvertreter für die ASER (Agence Sénégalaise d’Électrification Rurale), einer Behörde, die dem Ministerium für Erdöl und Energie untergeordnet ist, und verantwortet die Planung, Lieferung und Installation der 300 Systeme. (mehr zum Projektverlauf und dem Einsatz von PV-Technik lesen Sie auf unserem SMA Sunny Blog.)

GAUFF Engineering
GAUFF Engineering

Gesundheit und Bildung profitieren von grünem Strom

„Der konstante Zugang zu Strom ist für viele Menschen im ländlichen Senegal ein Meilenstein“, ergänzt Sawdiatou Mbaye. Sie arbeitet seit 2020 für Asantys als Coordination und Communication Managerin mit am ASER300 Projekt. Asantys liefert mit Off-Grid Europe die Containersysteme für die Dörfer. „Ich wollte schon immer an einer nachhaltigeren Entwicklung meines Heimatlandes mitwirken. Nach einem Projekt zum Schutz der westafrikanischen Küstenlinie fing ich bei Asantys an“, erzählt sie.  Sie weiß, wie wichtig ASER300 für ihr Heimatland ist. „Vor allem unser Gesundheits- und Bildungswesen werden von diesem Projekt profitieren. In den ländlichen Regionen können mehr Krankenhäuser gebaut und dauerhaft betrieben werden, damit Schwangere nicht mehr kilometerlang zum nächsten Arzt gebracht werden müssen.“ Christiane Kragh, Geschäftsführerin von Off-Grid Europe, ergänzt: „Für uns ist es etwas Besonderes, Teil dieses Projekts zu sein, weil es so viele Menschen erreicht und einen wirklichen Einfluss vor Ort hat. Wir möchten als Unternehmen über das Projekt hinaus langfristig und nachhaltig im Senegal aktiv sein, deshalb haben wir unsere Tochtergesellschaft Off-Grid Africa gegründet. ASER300 ist ein Leuchtturmprojekt für die gesamte Region.“

„Für uns ist es etwas Besonderes, Teil dieses Projekts zu sein, weil es so viele Menschen erreicht und einen wirklichen Einfluss vor Ort hat.“Christiane Kragh, Geschäftsführerin Off-Grid Europe

Asantys Systems GmbH

Elektrische Schälmaschinen für Dorfprojekt

Aber auch die allgemeinen Lebensbedingungen auf dem Land, das die zunehmende Hitze des Klimawandels besonders hart spürt, verbessern sich: „Menschen können dauerhaft Wasser und Lebensmittel kühlen, um besser gegen die Temperaturen über 40 Grad im Schatten anzukommen“, erzählt Mbaye. Sie lernte in einem Dorf ein paar Frauen kennen, die sich in einer Wirtschaftsgruppe organisierten und gemeinsam elektrische Schälmaschinen für Hirse und Erdnüsse kauften. „Die Produktivität wird erhöht und besonders die Informations- und Fortbildungsmöglichkeiten werden davon profitieren. Auch die Kommunikation wird besser und ermöglicht zum Beispiel deutlich schnellere Notrufe“, sagt Lutz Ekhoff.

„Wenn die Bauteile vor Ort sind, geht es schnell“

44 Dörfer waren im November 2022 bereits elektrifiziert, größtenteils in den Regionen Kaffrine, Velingara und Kolda. Weitere 132 Dörfer sind mehr oder weniger so weit. 2024 soll alles fertig sein – ein Jahr später als geplant. Die Covid-Pandemie und die logistischen Schwierigkeiten der berühmten „letzten Meile“ sorgen immer wieder für Verzögerungen.

„Unsere Projekt-Dörfer sind im ganzen Land verteilt, teils 700 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Abseits der Nationalstraßen sind viele Straßen unbefestigte Pisten aus Sand und Laterit. Während der Regenzeit von Mai bis November können Straßen auch mal überschwemmt und Lieferrouten über Wochen hinweg blockiert werden. Der Transport der Container zu den Dörfern gestaltet sich entsprechend aufwändig“, schildert Lutz Ekhoff. Sind die Bauteile erst mal da, ist die Implementierung der Systeme unkompliziert.

5 Fakten zum Senegal

  1. Der Senegal erlangte 1960 seine Unabhängigkeit von Frankreich und ist seitdem eine demokratische Mehrparteien-Republik. 1960, im sog. afrikanischen Jahr, erlangten 18 afrikanische Kolonien ihre Unabhängigkeit von Frankreich, Großbritannien und Co.
  2. Die Amtssprache Französisch ist nur bei einem Bruchteil der Bevölkerung erste Wahl. Die beliebteste Umgangssprache ist Wolof, je nach Region werden aber auch Pulaar, Serer oder knapp 40 andere afrikanische Sprachen gesprochen.
  3. Der wachsende Energiebedarf wird größtenteils mit (importierten) fossilen Energieträgern gedeckt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien genießt höchste Priorität, Senegal ist u.a. Teil des „Scaling Solar“-Programms der Weltbankgruppe.
  4. Der Senegal ist zwar amtierender Africa Cup-Sieger im Fußball, dabei ist Ringen der Nationalsport. Ein traditionsreicher dazu: Schon im 11. Jahrhundert gab es erste Ringerwettkämpfe unter afrikanischen Herrscherfamilien.
  5. Im Senegal startet die „Great Green Wall“, das weltweit größte Aufforstungsprojekt: Bis 2030 soll ein 7000km langer begrünter Streifen quer durch Afrika – von der Westküste Senegals bis zur Ostküste nach Dschibuti – entstehen und die Ausbreitung von Saharawüste und Sahelzone stoppen.