Schwimmende Kraftwerke
Was produziert sehr effizient Strom – auf bislang ungenutzten Flächen? Schwimmende Solaranlagen sind weltweit im Kommen und faszinieren mit ihrer ganz eigenen Ästhetik …
Floating-PV, im englischsprachigen Raum auch als Floatovoltaics bekannt, nennt sich die Produktion von Solarstrom mit auf Gewässern schwimmender Photovoltaik. In Asien erleben die schwimmenden Kraftwerke gerade einen Boom. „Das Potenzial ist gigantisch“, meint Karan Singh, Vertriebs- und Marketingleiter für Indien, Südostasien und Südkorea beim deutschen Experten für Wechselrichter- und Energielösungen, SMA. „Ein Vorteil ist, dass dafür keine Landflächen benötigt werden. Im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken sind sie natürlich viel schneller einsetzbar, um den steigenden Energiebedarf zu decken.“
In Thailand hat SMA 2021 an einem solchen Projekt mitgewirkt: Auf einem gut vier Hektar großen Wasserbecken vor dem Produktionsgelände des Futtermittelproduzenten SPM erzeugen mehr als 6.000 schwimmende Sonnenkollektoren ein Fünftel der jährlich vom Werk benötigten Energie. Der zuvor seit Jahren ungenutzte Teich erfüllt nun wieder einen Zweck.
Karan Singh von SMA beschreibt einen weiteren Vorteil der schwimmenden Photovoltaik: „Das Wasser, auf dem sie schwimmen, kühlt die Module, wodurch diese besonders effektiv Strom erzeugen. Die temperaturausgleichende Wirkung des Gewässers erhöht ihre Lebensdauer, weil weniger Hitze, Kälte und Wind auf sie einwirken.“ Tatsächlich beziffern verschiedene Studien den Stromertrag fünf bis 15 Prozent höher als an Land.
Künstliche Gewässer eignen sich besonders gut als Standort für schwimmende Photovoltaik-Anlagen. Diese oft in Industrienähe gelegenen Becken und Teiche entwickeln aufgrund ihrer Bauweise meist keine üppige Flora und Fauna und machen sich so nun auf andere Weise für das Klima nützlich. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesystem ISE attestiert der Floating-PV auf Kies- und Baggerseen ein beträchtliches Potenzial, bei einer Gesamtzahl von über 4400 künstlichen Gewässern allein in Deutschland.
Angesagtes Forschungsthema
Durch die hohe Relevanz „landneutraler“ Photovoltaik für die Energiewende ist Floating-PV ein angesagtes Forschungsthema – unter anderem stellt sich die Frage, wie eine Floating-PV-Anlage Photosynthese, Verdunstung und Sauerstoffgehalt des Wassers beeinflusst.
„Neben einer ausreichend großen Wasseroberfläche und gutem Zugang zu Sonnenlicht sind beim Bau einer Floating-PV-Anlage unbedingt auch Umweltaspekte, einschließlich der Tierwelt, der Hydrologie und des Wetters zu beachten.“ –
Karan Singh, Vertriebs- und Marketingleiter bei SMA India
Bei der schwimmenden Solaranlage Sembcorp Tengeh in Singapur wurde auf ausreichende Lücken zwischen den Solarmodulen geachtet, um den Luftstrom zu verbessern und ausreichend Sonnenlicht für das Wasserleben zu lassen. Zusätzliche Belüfter sollen den Sauerstoffgehalt im Reservoir aufrechterhalten.
Floating-PV als Schutzmaßnahme?
Wenn sich im Schatten der PV-Anlage Verdunstungsrate und Algenbildung verringern, kann das in heißen und trockenen Landstrichen, aber auch in bisher gemäßigten Regionen, ein Pluspunkt sein. Eine Studie aus Jordanien lässt bei optimalem Design mit 42 Prozent weniger Verdunstung einen deutlichen Effekt erkennen.
Standort mit Mehrwert
Der Gedanke, schwimmende Solaranlagen in der Nähe von Wasserkraftwerken und Offshore-Windkraftanlagen zu positionieren, liegt nahe. Entweder ist der Anschluss ans Stromnetz schon vorhanden oder die Anlagen können ihn sich teilen. Die Kraftwerke ergänzen sich, weil sie abhängig von Wetter und Tageszeit zu anderen Zeiten Strom produzieren. Auf dem Meer gelten noch einmal härtere Anforderungen an Konstruktion und Material, aber Stauseen im Binnenland bieten sich mit ihrer riesigen Wasseroberfläche als Standort für Floating-PV geradezu an. Die Türkei mit ihren vielen Wasserkraftwerken beispielsweise könnte mit Floating-PV auf nur zehn Prozent ihrer Stauseen einer Abschätzung zufolge rechnerisch 40 Prozent der zurzeit installierten Gesamtleistung des Landes erreichen. Kaum greifbare Dimensionen, die das Zukunftspotenzial der Technologie erahnen lassen …
In der Schweiz schwimmt eine Anlage auf alpinen 1810 Metern Höhe, die bei niedrigen Temperaturen und hoher Sonneneinstrahlung besonders effektiv Energie produziert.
Dass wir da noch nicht früher draufgekommen sind!
Floating-PV wird für die Energieerzeugung der Zukunft ziemlich sicher eine bedeutende Rolle spielen. Jetzt müssen nur noch politische Ziele, wirtschaftliche Interessen und Naturschutzbelange in ein vernünftiges Gleichgewicht gebracht werden – wie bei allen Innovationen mit Potenzial.